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Titan 07

Titan 07

Titel: Titan 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg , Wolfgang Jeschke
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Dunkelheit. Dieses Vergnügen war ungeheuer beliebt – jedenfalls, solange es bestand.«
    »Beliebt?«
    »Und wie. Es liegt eine gewisse Faszination in der Furcht, wenn man weiß, daß alles nur ein Spiel ist. Ein Baby kommt mit drei Urängsten zur Welt: der Angst vor lauten Geräuschen, der Angst, zu fallen, und der Angst vor der Dunkelheit. Darum sieht man auch einen besonderen Spaß darin, jemanden anzuspringen und laut ›Buuh‹ zu schreien. Und hier liegt auch der Grund dafür, daß es so einen Nervenkitzel bereitet, auf einer Achterbahn zu fahren. Und darum wurde auch der ›Tunnel der Geheimnisse‹ die Sensation auf der Ausstellung. Die Leute kamen zitternd, atemlos, manchmal halbtot vor Angst aus dem Tunnel heraus, und auf der anderen Seite stellten sie sich schon wieder in die Schlange und bezahlten ihr Eintrittsgeld für die nächste Fahrt.«
    »Warten Sie mal! Da fällt mir doch was ein! Kamen nicht sogar einige tot aus dem Tunnel heraus? Auf jeden Fall ging doch das Gerücht, nachdem man den Tunnel geschlossen hatte.«
    Der Psychologe schnaubte verächtlich. »Ach, was war das denn schon! Zwei oder drei starben. Die Hinterbliebenen bekamen eine Entschädigung, und der Stadtrat von Jonglor City wurde davon überzeugt, daß es besser wäre, die Sache schnell zu vergessen. Schließlich sagten sie, daß Leute mit schwachem Herz den Tunnel eben auf eigene Gefahr benutzten. Und außerdem würde so was in Zukunft bestimmt nicht mehr vorkommen. Um den Sicherheitsvorschriften Genüge zu tun, setzten sie einen Arzt in das Kassenhäuschen am Tunneleingang, und jeder, der mitfahren wollte, mußte sich einer kurzen Untersuchung unterziehen, bevor er sich in den Wagen setzen durfte. Das hatte jedenfalls zur Folge, daß die Leute noch neugieriger herbeigeströmt kamen und die Einnahmen explosionsartig in die Höhe schnellten.«
    »Und dann?«
    »Aber sehen Sie, da war noch was anderes. Manchmal kamen Leute aus dem Tunnel, die machten einen völlig normalen Eindruck – scheinbar. Nur, daß die plötzlich in kein geschlossenes Gebäude mehr hineinzukriegen waren – egal, in was für eins, ob es nun ein Palast war, ein Landhaus, ein Wohnhaus, eine Mietskaserne, ein Wochenendhäuschen, eine Hütte, eine Wellblechbude, eine Scheune oder auch bloß ein Zelt.«
    Theremon starrte den Psychologen mit erschrockenem Blick an. »Heißt das, daß sie nur noch unter freiem Himmel blieben und sich weigerten, irgendwo hineinzugehen? Die mußten doch auch irgendwo schlafen!«
    »Nun, sie schliefen eben im Freien.« »Konnte man sie denn nicht dazu zwingen, in ein Haus zu gehen?« »Oh, das versuchte man ja. Die Folge davon war, daß diese Leute fürchterliche hysterische Anfälle bekamen und versuchten, sich ihren Kopf an der nächsten Wand einzurennen. Hatten Sie es erst einmal geschafft, eine solche Person in einen geschlossenen Raum hineinzukriegen, so mußten Sie ihr entweder eine Zwangsjacke verpassen oder eine Betäubungsspritze geben.«
    »Die müssen ja völlig verrückt gewesen sein!«
    »Das ist genau der richtige Ausdruck. Von zehn Personen, die in den Tunnel gingen, kam durchschnittlich eine in diesem Zustand wieder heraus. Man rief die Psychologen zu Hilfe, und wir taten erst einmal das Naheliegendste: Wir veranlaßten die Schließung des Tunnels.« Er breitete die Arme aus.
    »Aber was war denn nun eigentlich los mit diesen Leuten?«
    »Eigentlich das gleiche wie mit Ihnen vorhin, als Sie das Gefühl hatten, die Wände kämen in der Dunkelheit auf Sie zu. Der psychologische Terminus für diese Angst des Menschen vor dem Eingeschlos-senwerden heißt ›Klaustrophobie‹. Die Furcht vor der Dunkelheit steht in engem Zusammenhang zu dieser Angst vor dem Erdrücktwerden. Deshalb ist die Angst vor dem einen Phänomen exakt die gleiche wie vor dem anderen. Verstehen Sie?«
    »Und die Leute, die aus dem Tunnel kamen, hatten das also?«
    »Diese Leute gehörten zu den Unglücklichen, die nicht über genügende geistige Abwehrkräfte verfügen, diese Klaustrophobie abzuwenden. Als sie in dem Tunnel waren, wurden sie quasi von ihr übermannt. Fünfzehn Minuten ohne Licht; das ist eine lange Zeit. Sie brauchten vorhin die Dunkelheit höchstens zwei oder drei Minuten zu ertragen; und trotzdem machten Sie schon einen hochgradig erregten Eindruck auf mich.
    Die Leute aus dem Tunnel hatten eine sogenannte ›klaustrophobische Fixierung‹. Ihre schon latent vorhandene Furcht vor Dunkelheit und geschlossenen Räumen hatte sich

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