Titan 17
etwas auf. Etwa zwanzig Meter von uns entfernt befand sich eine kleine Mulde. Dahinter bewegte sich etwas. Ich erhaschte kurz einen Blick auf einen metallisch schwarzen Körper und lange Fühler. »Ja«, bestätigte Soltano, »es ist eine Herrenameise. Sie sind überall um uns herum. Aber ich habe Sie nicht hierher geführt, um Ihnen die Ameisen zu zeigen. Ich führe Sie zu etwas, was noch weitaus tödlicher für uns ist.« Er brachte uns zu einem großen Aufzug. »Unter uns ragt das Fundament der Burg etwa hundert Meter tief in den Boden hinein. Dort stellen wir im Bedarfsfall auch das Schutzmetall her.« Der Lift versank in die dunkle Tiefe. Das Krachen der Maschinen über uns wurde immer leiser, war schließlich nur noch ganz schwach zu hören und verstummte dann völlig. Soltano drückte auf den uns nun vertraut gewordenen Knopf, nachdem wir durch einen wahren Dschungel aus massiven Säulen gekommen waren, und die Wände schienen vor unseren Augen zu verschwinden. Darunter sahen wir die schwarze Erde und irgendwie auch einen halben Meter in das Erdreich hinein. Etwas Graues bewegte sich dort und rannte kleine Laufwege und Tunnels entlang. Abermillionen dieser kleinen grauen Wesen gruben und nagten unermüdlich. Zunächst begriff ich nicht, dann erklärte Soltano und mir wurde plötzlich alles klar. Diese Wesen unter uns waren Termiten – weiße Ameisen!
»Sehen Sie, daß sind unsere wahren Feinde«, sagte Soltano düster. »Die Insekten hier unter uns sind viel gefährlicher als die Herrenameisen, deren Schöpfer sie sind. Die Termiten beabsichtigen, die Fundamente zu zerstören, auf denen die Burg ruht, indem sie die Erde darunter fortfressen.«
Ich spürte, wie ich eine Gänsehaut bekam.
»Dreimal in den letzten hundert Jahren mußten wir die Fundamente tiefer in den Erdboden senken. Ursprünglich waren die Grundmauern nur fünfzehn Meter tief. Mittlerweile reichen sie schon dreißig Meter hinab. In ein paar Jahren wird es noch mehr sein.«
»Gütiger Gott im Himmel!« rief ich. »Können Sie denn nichts dagegen unternehmen?«
Er zuckte die Achseln. »Bislang noch nicht. Immerhin sind unsere Chemiker und verschiedene andere Wissenschaftler Tag und Nacht mit Experimenten beschäftigt. Wir hoffen, ein Gift oder einen Strahl zu finden, der sie vernichtet und davon abhält, sich der Burg zu nähern.«
»Und wenn Ihnen das nicht gelingt?« wollte der Professor wissen.
»Wenn nicht«, antwortete Soltano, »dann werden wir eines Tages…« Er machte eine unmißverständliche Handbewegung.
Ich mußte an das fleißige, fröhliche Leben über uns denken, an die grünen Gärten und die lachenden Frauen und Kinder. Ich dachte an Theda, und plötzlich wurde mir klar, wie viel sie mir inzwischen bedeutete.
»Professor«, sagte ich an jenem Abend, als wir uns auf unser Zimmer zurückgezogen hatten, »wo Ihnen doch hier so viele Maschinen und Werkzeuge zur Verfügung stehen, könnten Sie da nicht eine neue Zeitmaschine bauen?«
»Das könnte ich schon.« »Warum tun Sie es dann nicht?« »Vielleicht sollte ich wirklich. Soltano hat mir versprochen, mir ein eigenes Laboratorium zur Verfügung zu stellen, wie Sie sicher wissen.«
Deutlich erleichtert wandte ich mich ab. Hier war die Möglichkeit für Theda und mich, herauszukommen. Ich schlief ein und träumte, ich wäre mit ihr in der Zeitmaschine ins Jahr 1926 zurückgekehrt und zeigte ihr den Campus der Universität und sagte ihr die Uhrzeit vom Glockenturm. Beim Frühstück stand Theda hinter dem Tresen und füllte mein Brett mit Pfannkuchen, Obst, Toast und Eiern. Das war mir schon früher aufgefallen: Müßiggänger wurden auf der Burg nicht geduldet. Alle verrichteten irgendeine Arbeit oder machten sich sonstwie nützlich. In einer Woche hatte Servus zum Beispiel drei Stunden am Tag Geschirr gespült. Danach wandte er sich den Gemüsebeeten zu und brachte frischen Kohl und Kopfsalat und feste, rote Möhren in die Küche oder grub Kartoffeln aus. Auf meine Bitten hin wurde mir auch eine solche Arbeit zugewiesen. Ich war immer wieder erstaunt über die Fruchtbarkeit der Beete und noch mehr darüber, daß die Obstbäume unter solchen Bedingungen so üppig gediehen. »Wird der Boden oft gedüngt und umgegraben?« fragte ich Servus.
Er schüttelte den Kopf. »Nie.«
»Dann habt ihr so guten Kunstdünger, daß ihr den Boden nur einmal damit bearbeiten müßt?«
»Wir arbeiten mit Elektrizität.«
»Elektrizität!« Ich konnte es kaum fassen.
»Aber ja
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