Titan 17
Wissenschaft stieß man eigentlich ständig auf wunderbare Dinge. So wurden zum Beispiel der Professor und ich eines Tages eingeladen, einem historischen Rückblick für die Kinder in der Burg beizuwohnen. Die Wände des Klassenzimmers wurden mit dem Strahl transparent gemacht und erzeugten in uns die Illusion, wir befänden uns draußen. Hochentwickelte Projektionsapparate zeigten in einer Bilderfolge den Bau der Burg. Ich stöhnte ehrfürchtig, als mir klar wurde, daß die ersten Rollen dieser erstaunlichen Filme bereits vor fünfhundertundfünfzehn Jahren aufgenommen worden waren. Wir sahen, wie die Autokolonne der Wissenschaftler und Arbeiter zum Gipfel kam, und verfolgten atemlos, wie riesige, dampfbetriebene Schaufeln das Erdreich aufbrachen. Wir beobachteten, wie die gewaltigen Mauern der Burg immer höher wuchsen, Meter um Meter, und dahinter ungezählte Maschinen, Geräte und Arbeitsmaterialien des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts untergebracht wurden. Als nächstes erfuhren wir, wie die Burgmauern im Jahre 2075 erhöht worden waren. Arbeiter in Spezialmetallkleidung stockten die Wälle auf. Als diese Arbeiten beendet worden waren, fuhren Flammenstrahlen über die Mauern, härteten das Metall und töteten alle Insekten, die sich eingeschlichen hatten. So bekamen wir Stück für Stück die Wachstumsgeschichte der Burg von den Anfängen bis zum gegenwärtigen Stand mit.
»Bewegliche Bilder«, sagte ich atemlos zum Professor. »Wie würde Cecil B. DeMille sich darüber freuen! Haben Sie auch die Szene gesehen, wo die in Panik geratenen Leute vorbeirannten und von den Ameisen verfolgt wurden?« Ich schüttelte mich. »Und die, wo die Wissenschaftler und Arbeiter hoch und hinter die Wälle der Burg gehievt wurden? Ich verstehe nur noch nicht, warum die Ameisen nicht die Wälle mit ihrer schieren Anzahl überschwemmen und alles Leben dahinter auslöschen können.«
Soltano hatte meine Frage gehört. »Weil die Wände unter Strom stehen«, antwortete er. »Nichts könnte auf ihnen überleben, sobald die Elektrizität hindurchfließt.«
Eine Woche später wurden der Professor und ich endlich tief in die Burg hineingeführt. Tief unter den märchenhaften Gebäuden und blühenden Gärten lagen die Maschinenhallen und Laboratorien, die das pulsierende Leben oben erst ermöglichten. Wir sahen riesige Dynamos und hörten schwirrende Maschinen, deren Funktionen ich im Traum nicht erraten konnte. In einer titanischen Halle erledigten Arbeiter letzte Arbeiten an Geräten, die sich bei näherem Hinsehen als Flugschiffe entpuppten. In einer anderen stellten Arbeiter Öle und Schmierfette her. Ganze Etagen im Innern waren den Experimenten und der Forschung gewidmet. Die dort vorgenommenen Arbeiten waren für mich so kompliziert, daß ich sie nicht beschreiben kann. Der Professor blühte natürlich sichtlich auf. Hier war er in seinem Element und wollte nur ungern weitergehen.
»Wo bekommen Sie das Metall her?« fragte Reubens plötzlich. »Eisen zum Beispiel, oder Zinn, Zink…?«
»Eingeschlossen und abgeschnitten wie wir sind«, antwortete Soltano, »war es für uns immer eins der Hauptprobleme, Metall in ausreichenden Mengen zu besitzen. Doch wir haben es gelöst. Ein großer Teil unserer Tanks, Räder, Achsen, Wellen und so weiter sind aus Abfällen gemacht, aus den Bäumen, die oben in den Gärten wachsen, sogar aus Gemüseresten, Blättern und Reben. Wir entdeckten, daß sie nach einer gewissen chemischen Behandlung sehr gut für unsere Zwecke zu gebrauchen sind. Bis auf das Eisen, dem einzigen Metall, das wir fördern müssen. In den Bergen, dort im Nordwesten, liegen alte Minen, in denen wir immer noch arbeiten, wenn wir Eisenerz benötigen. Diese Arbeit ist hart und gefährlich. Die Männer, die dazu bereit sind, müssen Schutzmetallanzüge tragen und ständig von Flammenstrahlern bewacht und beschützt werden. Nun, wenn wir in einiger Zeit wieder Eisen brauchen, können Sie mit uns in den Flugschiffen fliegen und die Gewinnung mit eigenen Augen verfolgen.«
Er ließ dieses Thema jedoch rasch fallen, weil er uns offensichtlich etwas noch viel Interessanteres zeigen wollte.
»Hier«, sagte er und zeigte auf zwei große Metalltanks und ein kompliziert wirkendes Gewirr von Leitungen und sich rasch drehender Räder, »stellen wir unser Wasser her.«
Er drückte auf einen Knopf. Die Wände um uns herum wurden transparent: Wir sahen nun bis hinab auf den braunen Hang des Bergs. Plötzlich fiel mir
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