Titan 17

Titel: Titan 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn , Wolfgang Jeschke

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doch. Durch Magnetismus holen wir uns die Elektrizität aus der Luft. Das dürfte dir doch nicht so fremd sein. Hat nicht ein deutscher Ingenieur zu deiner Zeit so etwas einmal ausprobiert? Aber wo er nur zwei Ernten aus einem so behandelten Boden holen konnte, bringen wir es auf sieben.«
    So verstanden die Leute es hier, sich zu helfen. Ich hatte nie irgendwelche Tiere auf der Burg der Wissenschaft gesehen, nicht einmal Kühe. Aber dennoch herrschte hier nie Mangel an Eiern, Butter, Milch oder Fleisch. Servus erklärte mir auch dieses Geheimnis. »Milch machen wir aus weißen Rüben und Kartoffeln«, erklärte er. »Ich glaube, ein Mann namens Ford hat das im Jahr 1926 entdeckt und entwickelt. Eier und Fleisch werden synthetisch hergestellt.« Er verdeutlichte mir die verschiedenen Verfahren noch anhand einiger technischer Details, die ich aber der Knappheit meines Berichts wegen hier nicht aufführen möchte.
    Die Burg der Wissenschaft ist ein wahrhaft wunderbarer Ort. Man konnte sich kaum vorstellen, daß die genialen Bewohner an diesen kleinen Berg gefesselt waren, und zwar von Insekten, die dem Menschen Jahrtausende unterlegen gewesen waren – hoffnungslos unterlegen. Aber waren diese letzten Menschen wirklich angekettet? Hatte Theda nicht den Professor und mich mit einem Flugschiff gerettet? Und hatte Soltano uns nicht andere Fluggeräte im Bau gezeigt? Und waren wir nicht eingeladen worden, in ihnen Ausflüge zu unternehmen? Als ich eines Nachts mit Theda im Mondlicht auf der Brüstung saß, fragte ich sie danach. »Ja«, antwortete sie, »wir besitzen eine ganze Menge Flugschiffe. Aber abgesehen vom Einsatz bei der Erzförderung nutzen sie uns nicht viel.«
    »Wie das?« fragte ich.
    »Weil es außerhalb der Burg der Wissenschaft kaum eine Stelle gibt, an der sie eine Landung wagen dürfen.«
    »Aber da sind doch noch Europa und Asien«, wandte ich ein. »Vielleicht sind sie nicht unter die Kontrolle der Ameisen geraten.«
    »Im Durchschnitt sind alle zehn Jahre einmal Expeditionen zum Flug über den Ozean aufgebrochen«, antwortete sie, »und nie ist auch nur eine zurückgekehrt. Mein Vater befehligte das letzte Flugschiff, das die Reise versuchte. Das war vor fünf Jahren«, fügte sie leise hinzu. Ich drückte ihre Hand.
    »Aber sie wirken doch so wunderbar durchkonstruiert«, sagte ich. »Wie werden sie überhaupt angetrieben?«
    »Durch Radiostrahlen. Wellen werden von einem Kontrollzentrum in der Burg ausgesandt und von einem Gerät empfangen, das im Flugschiff eingebaut ist. Die Maschine wird von einem Hebel bedient, mit dem der Pilot sie leicht steuern kann. Eine simple Mechanik. Bei einem Radius von etlichen hundert Kilometern und bei gutem Wetter ist so ein Flugschiff absolut sicher und leicht zu steuern. Viele von uns unternehmen in ihnen Vergnügungsfahrten. Aber jenseits dieses Radius…« Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht interferieren atmosphärische Störungen die Radiowellen, wenn ein Flugschiff über eine gewisse Distanz hinausfliegt. Vielleicht arbeitet aber auch der Empfänger von einer bestimmten Entfernung an nicht mehr einwandfrei, obwohl er theoretisch die Wellen bis zu einer Entfernung von sechseinhalbtausend Kilometern aufnehmen müßte. Wir wissen jedoch nur, daß diejenigen, die sich zu weit vorwagen, nicht mehr zurückkehren. Möglicherweise stürzen sie in den Ozean und ertrinken. Oder schlimmer noch, sie müssen auf einer Ebene notlanden, und die Herrenameisen…« Ihre Stimme schwankte so sehr, daß sie nicht mehr weiterreden konnte. Um Schutz vor einer schwarzen Schreckensvision zu finden, das die bedrohliche Gestalt eines Insekts angenommen hatte, drängten wir uns dicht aneinander.
    »Theda«, sagte ich, und das Herz drohte mir zu zerspringen. »O Theda! Würdest du… willst du…?«
    Statt einer Antwort küßte sie mich.


Die Herrenameisen erobern die Lüfte

    Ich sitze nun unter dem dünnen Metalldach, unser einziger Schutz gegen die anstürmenden Ameisenhorden, und schreibe die letzten Zeilen dieses Berichts. Kaum ist es mir möglich, von der schrecklichen Katastrophe zu künden, die über uns hereingebrochen ist. Eines Tages standen wir auf der Brüstung, als ein junger Wissenschaftler, der zu einem Vergnügungsflug aufgebrochen war, plötzlich vom Himmel schwebte und auf der Plaza landete. Sein Gesicht war aschfahl.
    »Was ist geschehen?« fragte Soltano sofort.
    »Die Ameisen!« stieß der junge Mann atemlos hervor. »Die Ameisen können jetzt