Titan 18
sarkastisch, »daß Sie dieser Anführer sind.«
Seine Antwort war ausdruckslos und ruhig und absolut selbstbewußt. »Ja.«
In den darauffolgenden Tagen lernte ich mehr über Manuel Argos. Er hatte nie etwas dagegen einzuwenden, über sich zu sprechen.
Seine Herkunft war vermutlich der Mittelmeerraum mit einem Schuß anatolischen Blutes, mehr als einem Schuß Neger und Orientale, aber ich glaube, irgendwo muß es auch einen vergessenen nordischen Vorfahren gegeben haben, der aus jenen eisblauen Augen blickte. Eine Verkörperung der ganzen Menschheit, wie es heutzutage nicht ungewöhnlich war.
Seine Mutter war Tagelöhnerin auf der Venus gewesen. Sein Vater, auch wenn er das nicht genau wußte, war ein Weltraumprospektor gewesen, der jung gestorben war und sein Kind nie zu Gesicht bekommen hatte. Als er dreizehn Jahre alt war, bestieg er ein Schiff zum Sirius und hatte seitdem das Sonnensystem nie wieder betreten. Jetzt, mit vierzig, war er Raumfahrer, Bergmann, Dockarbeiter, Soldat in den Bürgerkriegen und gegen die Baldics, Politiker auf den Kolonialplaneten, Jäger, Maschinist gewesen und hatte eine ganze Anzahl sonstiger obskurer Berufe ausgeübt.
Irgendwann während dieser Laufbahn hatte er die Zeit gefunden, ein erstaunliches Quantum mannigfacher Lektüre in sich aufzunehmen. Trotzdem verließ er sich immer mehr auf seine eigenen Sinne, seine Vernunft und seine Intuition als auf Bücher. Vor vier Jahren war er bei einem Gorzuni‐Überfall auf Alpha Centauri in Gefangenschaft geraten und hatte angefangen, diejenigen, die ihn gefangen hatten, ebenso kaltblütig zu studieren, wie er vorher seine eigene Rasse studiert hatte.
Ja, ich erfuhr eine ganze Menge über ihn, aber nichts über den Menschen, der er war. Ich glaube nicht, daß irgendein lebendes Geschöpf das je geschafft hatte. Er war nicht der Mann, um einem anderen sein Herz zu öffnen. Er ging seiner Wege, eingehüllt in Einsamkeit und Träume, und das jeden Tag. Ob die Kälte seines Verhaltens in seine Seele eindrang und jene seltene Wärme nur eine Maske war, oder ob er in Wirklichkeit diese Gleichgültigkeit nur als Maske trug, wird wohl nie jemand erfahren. Und aus dieser Unsicherheit machte er eine Waffe; man wußte nie, was man von ihm erwarten mußte, und war in seiner Gegenwart daher stets angespannt, seinem Willen geöffnet.
»Ein seltsamer Mensch ist das«, sagte Kathryn einmal, als wir alleine waren. »Ich habe mich immer noch nicht entschieden, ob er verrückt ist oder ein Genie.«
»Vielleicht beides, Liebste«, meinte ich ein wenig gereizt. Ich mochte es nicht, wenn man mich beherrschte.
»Vielleicht. Aber was ist Vernunft schon?« Sie schauderte und kroch näher zu mir. »Ich will nicht darüber sprechen.«
Das Schiff raste weiter, bahnte sich seinen Weg durch die Pracht der Sterne, alleine in Lichtjahren der Leere, mit seiner Ladung aus Haß und Furcht und Elend und Träumen. Wir arbeiteten und warteten, und die Tage schleppten sich dahin.
Die müden, alten Motoren mußten repariert werden. Man mußte den graufelligen Riesen etwas vorspielen, die uns im flackernden Dämmerlicht der Maschinenräume beobachteten. Wir spannten Drähte, schweißten und schraubten, erprobten, rissen ein und bauten wieder auf, schmachteten in der Hitze der berstenden Atome, die gegen die Strahlungsschilde anrollten, betäubt vom Pfeifen der Generatoren und dem Dröhnen der schlecht eingestellten Turbinen und dem tiefen, ungleichmäßigen Rumpeln der großen Konverter. Wir reparierten Manuels Sabotage, bis das Schiff beinahe glatt lief. Später würden wir unter irgendeinem Vorwand das Ganze wieder aus dem Takt bringen. »Der Teppich der Penelope«, sagte Manuel und ich staunte darüber, daß ein Weltraumvagabund eine solch klassische Anspielung machte.
»Worauf warten wir?« fragte ich ihn einmal. Der Lärm des Generators, den wir überholten, verschlang unsere Worte. »Wann beginnen wir unsere Meuterei?«
Er blickte zu mir auf. Das Licht seiner Reparaturlampe spiegelte sich in seinem schweißbedeckten, häßlichen, pockennarbigen Gesicht. »Zur richtigen Zeit«, sagte er kühl. »Jedenfalls dann, wenn der Kapitän seinen nächsten Drogentrip macht.«
Unterdessen hatten zwei der Sklaven auf eigene Faust eine Revolte versucht. Als ein unvorsichtiger Wachmann der Tür einer der Männerzellen zu nahe kam, griff einer von ihnen durch die Zellenstäbe, schnappte sich seine Waffe aus dem Halfter und schoß ihn nieder. Dann versuchte er, das Schloß
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