Titan 19
täuschen lassen. Im wesentlichen ist sein Zustand auf etwas zurückzuführen, das er gegessen hat.«
»Ich hatte schon mit mir selbst gewettet, daß Sie das irgendwann einmal sagen würden«, sagte O’Mara. Er sah aus, als wäre ihm übel.
In dem Moment traf das Gerät ein – ein dünner, zugespitzter hölzerner Stab und ein Mechanismus, der es erlaubte, den Stab im beliebigen Winkel nach unten zu schieben. Conway baute das Gerät mit Hilfe des Tralthaners auf und brachte es in Position. Er wählte eine Körperpartie des Patienten aus, die einige lebenswichtige Organe enthielt, welche jedoch von fast fünfzehn Zentimeter Muskulatur und Fettgewebe bedeckt waren, und setzte den Stab in Bewegung. Er berührte die Haut und schob sich mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Zentimeter pro Stunde vor.
»Was, zum Teufel, geht hier vor?« brauste O’Mara auf. »Glauben Sie, der Patient sei ein Vampir oder so etwas?«
»Natürlich nicht«, antwortete Conway. »Ich benutze einen hölzernen Stab, um dem Patienten eine bessere Chance zu geben, sich zu verteidigen. Sie werden doch nicht etwa damit rechnen, daß er eine Stahlstange aufhält, oder?« Er winkte den Tralthaner nach vorne, und dann beobachteten sie gemeinsam die Stelle, wo der Stab sich in den Körper des EPLH bohrte. Alle paar Minuten berichtete Prilicla über die emotionelle Ausstrahlung. O’Mara marschierte auf und ab und murmelte gelegentlich etwas Unverständliches vor sich hin.
Die Spitze hatte sich inzwischen fast einen halben Zentimeter in die Haut gebohrt, als Conway bemerkte, wie sie dicker wurde. Das geschah an einer etwa kreisförmigen Stelle von etwa zehn Zentimetern Durchmesser, in deren Mitte sich die Wunde befand, die der Stab verursachte. Conways Scanner zeigte an, wie sich in einer Tiefe von etwa eineinhalb Zentimetern unter der Haut ein schwammiges, faseriges Gewächs bildete. Jetzt verdickte sich das Gewächs sichtlich, wurde für den Scanner undurchsichtig und verwandelte sich binnen zehn Minuten in eine harte, knochige Platte. Der Stab hatte angefangen, sich beunruhigend zu verbiegen, und sah nun so aus, als müßte er jeden Augenblick abbrechen.
»Ich würde sagen, daß die Verteidigung sich jetzt auf diesen Punkt konzentriert«, sagte Conway, der sich große Mühe gab, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen, »wir sollten es also herausschneiden.«
Conway und der Tralthaner gingen schnell ans Werk, schnitten die neu gebildete Knochenplatte heraus und praktizierten sie in einen sterilen Behälter mit einem Deckel. Dann injizierte Conway schnell eine mittlere Dosis des Medikaments, das er am Vortag eingesetzt hatte, und half dann dem Tralthaner, die Wunde zu versorgen. Das war reine Routine und nahm nur fünfzehn Minuten in Anspruch. Als sie fertig waren, gab es keine Zweifel daran, daß der Patient positiv auf die Behandlung reagierte.
Während der Tralthaner gratulierte und O’Mara schreckliche Drohungen ausstieß – der Chefpsychologe wollte schleunigst Antworten auf einige Fragen –, sagte Prilicla: »Sie haben die Heilung eingeleitet, Doktor, aber die Angst des Patienten hat deutlich zugenommen. Er ist sehr erregt.«
Conway schüttelte den Kopf und grinste. »Der Patient steht unter schwerer Narkose und kann nichts fühlen. Aber ich gebe Ihnen recht, daß sich in diesem Augenblick…« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den sterilen Behälter, »… sein Arzt ziemlich unwohl fühlen muß.«
Das Knochenstück im Behälter hatte begonnen, weich zu werden und sonderte eine schwach purpurfarbene Flüssigkeit ab. Die Flüssigkeit kroch prüfend auf dem Boden des Behälters herum, als wäre sie intelligent. Und genau das war natürlich der Fall…
Conway befand sich in O’Maras Büro und beendete gerade seinen Bericht über den EPLH, und der Major überschlug sich mit Komplimenten, wobei er sich einer Sprache bediente, die es manchmal schwer machte, die Komplimente von Beleidigungen zu unterscheiden. Aber Conway begann zu begreifen, daß dies O’Maras Art war, und der Chefpsychologe war nur dann höflich und mitfühlend, wenn er um jemanden besorgt war.
Er stellte immer noch Fragen.
»… Eine intelligente amöbenartige Lebensform, eine organisierte Sammlung submikroskopischer, virusartiger Zellen würde den effizientesten Arzt abgeben, den man sich vorstellen kann«, sagte Conway und beantwortete damit eine davon. »Eine solche Lebensform würde im Patienten leben und, soweit man sie mit den nötigen Daten
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