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Titan - 2

Titan - 2

Titel: Titan - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne SF Classics
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Verandadach hinwegsah. Gummiez hatte Fenster längst als Semi-Spiegel eingestuft, auf deren anderer Seite es zwei Welten gab: die Spiegelwelt, und jene geheimnisvolle Region gefährlich klingender Geräusche und undurchschaubarer Vorgänge, die man die Außenwelt nannte, und in die sich die erwachsenen Menschen von Zeit zu Zeit hinauswagten, nachdem sie Spezialkleidung angelegt und laute Abschiedsgrüße gerufen hatten, die tröstend wirken sollten, doch gerade das Gegenteil erreichten. Das gleichzeitige Vorhandensein von zwei Arten Raum stellte kein Paradoxon für ein Kätzchen dar, in dessen Gedächtnis ein 27 Kapitel langes Expose von Raum-Zeit-Sprünge druckreif bereitlag – es war vielmehr eines der Nebenthemen des Buches.
    An diesem Morgen war es im Schlafzimmer recht dunkel, und in der Außenwelt war es trüb und sonnenlos, deshalb konnte man die Spiegelwelt ungewöhnlich schwer wahrnehmen. Gummiez hob eben mit zuckendem Näschen das Gesicht, die Vorderpfoten noch auf dem Fenstersims, um besser sehen zu können, als plötzlich auf, der anderen Seite, genau an der Stelle, die normalerweise der Gummiez-Doppelgänger einnahm, ein schmutzigbraunes, schmal-schnäuziges Gesicht mit entsetzlich niedriger Stirne, bösen, dunklen Äuglein und gewaltigen, schaufelförmigen Zähnen auftauchte.
    Gummiez erschrak furchtbar. Er fühlte, wie ihm sein Geist zu entgleiten drohte, und teleportierte sich unwillkürlich drei Meter zurück – in Ausnützung jener Fähigkeit, Abkürzungen im Raum-Zeit-Kontinuum zu nehmen, genaugenommen durch Bewegung in der vierten Dimension: eine seiner Künste, an die zu glauben Miez-Miez-Kooomm sich strikt weigerte, und die selbst Dosenfutter nicht ganz geheuer vorkamen.
    Jetzt zögerte er keine Sekunde, wirbelte auf seinem bepelzten Hinterteil herum, raste mit Höchstgeschwindigkeit die Treppe hinunter, sprang auf die Lehne des Sofas und starrte eine volle Minute lang unverwandt den Gummiez-Doppelgänger im Wandspiegel an – nicht eine Muskelfaser entspannte er, bis er sich hundertprozentig überzeugt hatte, daß er immer noch er selber war und nicht in dieses häßliche braune Wesen verwandelt worden war, das ihm im Schlafzimmerfenster konfrontiert worden war.
    »Weißt du, was jetzt wieder in ihn gefahren ist?« erkundigte sich Dosenfutter bei Miez-Miez-Kooomm.
    Später erfuhr Gummiez, daß er ein Eichhörnchen gesehen hatte, ein wildes, Nüsse jagendes Geschöpf, das zur Gänze der Außenwelt angehörte (abgesehen von sporadischen Streifzügen in Dachkammern) und nicht der Spiegelwelt. Trotzdem konnte er seine sekundenlange, tiefe Überzeugung nicht vergessen, daß das Eichhörnchen den Platz des Gummiez-Doppelgängers eingenommen hatte und im Begriff stand, sich auch den seinen anzueignen. Ihm schauderte bei dem Gedanken, was geschehen wäre, hätte das Eichhörnchen tatsächlich mit ihm den Geist austauschen wollen. Anscheinend waren Spiegel und Spiegelbilder wirklich, wie er immer gefürchtet hatte, sehr förderlich für einen Seelentransfer. Er speicherte die Information in jener Kammer seines Gedächtnisses, die für gefährliche, aufregende und möglicherweise brauchbare Fakten reserviert war, wie zum Beispiel den Plan, eine senkrechte Glasfläche hinaufzuklettern (mit diamantenverstärkten Krallen!), oder über die höchsten Baumwipfel hinauszufliegen.
     
    In diesen Tagen begannen sich seine Gedächtniskammern bis zum Bersten zu füllen, und er konnte kaum den Augenblick erwarten, da der wahre, volle Geschmack von Kaffee, zur rechten Zeit getrunken, ihm die Gabe der Sprache verleihen würde.
    Er sah die Szene in allen Einzelheiten vor sich: das Familienkonklave am Küchentisch, Assurbanipal und Kleopatra als ehrfürchtiges Parterrepublikum, er selber aufrecht in einem Sessel, leicht die dünne Porzellantasse mit den Pfoten (oder würden es Hände sein?) festhaltend, während Dosenfutter in dünnem Strahl das schwarze, dampfende Getränk einschenkte. Gummiez fühlte, daß die Große Verwandlung kurz bevorstand. Zur gleichen Zeit fühlte er, daß eine weitere kritische Situation ihrem Höhepunkt zustrebte. Sissy, erkannte er, war viel älter als Baby und hätte schon längst ihre wohl weniger glorreiche, doch ebenso nötige Verwandlung durchmachen müssen (das erste Schüsselchen mit rohem Pferdefleisch war wohl kaum so aufregend wie die erste Tasse Kaffee). Es war wirklich allerhöchste Zeit. Gummiez graute immer mehr vor diesem stummen, vampirhaften Wesen, das den Körper eines

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