Titan - 2
antworteten die boshaften Stimmen. »Alle Leute werden sicher in ihren Bunkern sitzen, und er wird noch oben sein. – Er hat nicht einmal eine Karte für den Schulbunker.«
Mrs. Cummings war entsetzt. In ihrer unbeteiligten Lehrerinnenart hatte sie es für selbstverständlich gehalten, daß jeder Schüler eine Einlaßkarte für die ausgeklügelten unterirdischen Schutzräume besaß. Aber natürlich war dem nicht so. Nur Kinder, deren Eltern dem ZS angehörten, die dazu beitrugen, die Gemeinschaft verteidigungsfähig zu machen, die ihren Beitrag für die Nationalen Sicherheits-Flieger zahlten, durften in den Bunker. Und wenn Fosters Vater ein Anti-S war…
»Er hat Angst, hier zu sitzen«, murmelten die Stimmen kalt. »Er hat Angst, daß es passiert, während er hier ist, und alle anderen sicher im Bunker sind, nur er nicht.«
Langsam wanderte er durch die Straßen, die Hände tief in die Hosentaschen vergraben. Hin und wieder trat er nach einem Stein auf dem Gehsteig. Die Sonne war im Untergehen. Stumpfnasige Pendlerraketen spien müde Menschen aus, die froh waren, nach einem Arbeitstag in der Fabriksregion hundert Meilen westlich nach Hause zu kommen. Auf den Hügeln in der Ferne blitzte etwas auf: eine Radarantenne rotierte lautlos in der abendlichen Dämmerung. Die kreisenden NATS bekamen Verstärkung. Die Dämmerstunden waren am gefährlichsten. Sichtbeobachter konnten schnelle, tieffliegende Fernlenkgeschosse nicht mehr erkennen. Wenn die Geschosse kamen.
Ein Nachrichtenautomat rief ihm eifrig die neuesten Meldungen zu, als er vorbeiging. Krieg, Tod, fantastische neue Waffen im In- und Ausland. Er zog die Schultern hoch, als ob ihn fröre, und ging weiter, an den kleinen Betonkästen vorbei, die als Häuser dienten, alle völlig gleichartige, verstärkte Schutzunterkünfte. Weiter vorne erhellten grelle Leuchtreklamen die Dämmerung: das Geschäftsviertel, voll hastender Menschen, voll Verkehr.
Einen Häuserblock vor dem hellen Neonschein blieb er stehen. Hier auf der rechten Seite war ein öffentlicher Bunker mit dem dunklen, tunnelartigen Eingang, den ein automatisches Drehkreuz versperrte. Der Einlaß kostete fünfzig Cent. Wenn er hier auf der Straße war, wenn es passierte, und wenn er fünfzig Cent besaß, war alles in Ordnung. Er war schon oft während eines Probealarms in die öffentlichen Bunker geflüchtet. Manchmal aber – und diese Gelegenheiten blieben wie ein Alptraum in seinem Gedächtnis haften – hatte er keine fünfzig Cent mehr gehabt. Er war stumm und entsetzt auf der Straße stehengeblieben, während die Menschen aufgeregt an ihm vorbeiströmten und von allen Seiten her das unheilschwangere Heulen von Sirenen auf ihn einstürmte.
Langsam ging er weiter, bis er die am hellsten und aufwendigsten beleuchtete Stelle erreichte, die riesigen, luxuriösen Schauräume von General Electronics, zwei Häuserblocks lang, von allen Seiten her angestrahlt, ein gewaltiger Quader aus Licht und Farbe und Glanz. Er blieb stehen und starrte zum millionsten Mal all die wunderbaren Dinge, die faszinierenden Ausstellungsstücke an, die ihn immer, wenn er vorbeikam, mit hypnotischer Kraft anzogen.
In der Mitte des gewaltigen Ausstellungssaals stand ein einzelnes Riesending. Eine komplizierte Apparatur, aus pulsierenden Maschinen, Verstärkungsstreben, mächtigen Wänden und Balken und Schleusen. Alle Scheinwerfer waren darauf konzentriert; riesige Plakate machten auf die hundertundeins Vorteile aufmerksam, die dieses Wunder aufwies – als hätte irgendjemand daran zweifeln können.
D ER N EUE B OMBEN - UND S TRAHLUNGSSICHERE U NTERGRUNDBUNKER IST DA !
Sehen Sie sich die vielen Verbesserungen an:
• automatischer Schleusenlift – funktionssicher, eigene Energieversorgung, Superversiegelung
• Dreifachgehäuse – garantiert keine Deformation bis 5 g
• A-Energie versorgtes Heiz- und Kühlsystem – Luftreinigungsanlage selbstwartend
• drei Entseuchungsstufen für Nahrungsmittel und Wasser
• vier Hygienephasen für bakteriologische Entseuchung vor Eintritt
• komplette, antibiotische Rezirkulationsanlage
• bequeme Teilzahlung
Er starrte den Bunker lange Zeit an. Im wesentlichen war das Ding eine Art Tank mit einem Stutzen an der einen Seite, nämlich dem Liftschacht, und einer Notluke auf der anderen. Der Bunker war völlig unabhängig von der Umgebung – eine Welt im Kleinen, die Licht, Wärme, Luft, Wasser, Medikamente und einen fast unerschöpflichen Lebensmittelvorrat
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