Titan 23
nein«, sprach Reak. »Nicht die letzten. Wir haben welche gesehen, auf dem grünen Haufen.«
»Das ist lange her«, sagte Gisa. »Jetzt sind sie sicher tot.«
»Vielleicht haben sie eine Nahrungsquelle gefunden«, schlug Reak vor.
Finn erhob sich und blickte über die Ebene. »Wer weiß? Vielleicht gibt es hinter dem Horizont ein angenehmeres Land.«
»Nirgends ist etwas – außer öder Leere und bösen Geschöpfen«, herrschte Gisa ihn an.
»Was könnte schon schlimmer sein als hier?« fragte Finn ruhig.
Niemand konnte dagegen etwas sagen.
»Hier ist mein Vorschlag«, sagte Finn. »Seht diesen hohen Gipfel. Seht die Schichten harter Luft. Sie stoßen gegen den Gipfel, prallen ab, schweben hin und her und verschwinden schließlich. Wir wollen alle diesen Gipfel ersteigen, und wenn ein genügend großes Stück Luft vorbeikommt, klettern wir darauf und lassen uns von der Luft in die schönen Regionen tragen, die vielleicht außer Sichtweite existieren.«
Es gab Widerspruch. Der alte Mann, Tagart, meinte, er sei schwach; die Frauen machten sich darüber lustig, daß es die üppigen Regionen geben sollte, von denen Finn träumte. Aber schließlich schickten sie sich murrend und keifend an, die Fels‐spitze zu erklettern.
Es dauerte lange; der Obsidian war weich wie Gelee, und Tagart erklärte einige Male, er befände sich am Ende seiner Kräfte. Sie kletterten weiter und erreichten schließlich den Gipfel. Sie hatten kaum Platz darauf. Sie konnten nach allen Richtungen sehen, weit über die Landschaft, bis sich der Blick im wäßrigen Grau verlor.
Die Frauen schimpften und wiesen in verschiedenen Richtungen, aber von dem glücklicheren Territorium war nur wenig zu erkennen. In einer Richtung zitterten blau‐grüne Hügel, die Blasen voll Öl. In einer anderen Richtung lag ein schwarzer Streifen – eine Schlucht oder ein See aus Ton. In einer weiteren Richtung waren blaugrüne Hügel – dieselben, die sie in der ersten Richtung gesehen hatten; irgendwie hatte sich etwas verlagert. Unter ihnen dehnte sich die Ebene und glänzte wie ein irisierender Käfer, hie und da unterbrochen von schwarzen Samtflecken, auf denen eine fragwürdige Vegetation wucherte.
Sie sahen Organismen, ein Dutzend Gestalten, die an Tümpeln herumlungerten und Pflanzen oder kleine Steine oder Insekten mampften. Dann kam Alpha. Er bewegte sich langsam, immer noch von seiner Vision von Ehrfurcht erfüllt und die anderen Organismen ignorierend. Sie spielten weiter, aber dann waren sie plötzlich still und teilten seine Niedergeschlagenheit.
Auf dem Obsidiangipfel schnappte sich Finn einen vorüberwehenden Luftfaden und zog ihn heran. »Jetzt – alle hinauf, wir segeln ins Land des Überflusses.«
»Nein«, protestierte Gisa, »da ist kein Platz, und wer weiß schon, ob es in die richtige Richtung fliegt?«
»Wo ist die richtige Richtung?« fragte Finn. »Weiß das jemand?«
Niemand wußte es, aber die Frauen weigerten sich trotzdem, auf den Luftfaden zu steigen. Finn wandte sich zu Tagart. »Komm Alter, zeig diesen Weibern, wie es ist! Steig hinauf!«
»Nein, nein«, rief er. »Ich fürchte die Luft; das ist nichts für mich.«
»Steig auf, alter Mann! Dann kommen wir nach.«
Keuchend und von Angst erfüllt grub Tagart seine Hände tief in die schwammige Masse und zog sich auf die Luft hinauf. Seine dürren Beine hingen jetzt ins Nichts. »Jetzt«, sprach Finn, »wer ist der Nächste?«
Die Frauen weigerten sich immer noch. »Geh du doch selbst!« rief Gisa.
»Und dich soll ich zurücklassen, meine letzte Garantie gegen den Hunger? Steigt auf!«
»Nein. Die Luft ist zu klein; soll der Alte doch gehen, dann kommen wir auf einer größeren nach.«
»Also gut.« Finn ließ los. Die Luft schwebte über die Ebene, und Tagart saß rittlings darauf, klammerte sich fest, als hinge sein Leben davon ab.
Sie blickten ihm neugierig nach. »Seht«, sagte Finn, »wie schnell und leicht sich die Luft bewegt. Über die Organismen hinweg, über all den Schleim und die Unsicherheit.«
Aber die Luft selbst war unsicher, und das Floß des alten Mannes löste sich auf. Tagart klammerte sich an den entweichenden Winden fest und versuchte, sein Kissen zusammenzuhalten. Doch es entfloh unter ihm, und er stürzte.
Die drei auf dem Gipfel blickten der spindeldürren Gestalt nach, wie sie auf ihrem Absturz zur Erde, die weit unter ihr lag, um sich schlug.
»Jetzt«, rief Reak verdrießlich, »haben wir nicht einmal mehr Fleisch.«
»Nein, gar
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