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Titan 23

Titan 23

Titel: Titan 23 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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dicht am Boden. Als es schließlich den letzten niedrigen Felsvorsprung erreichte, blieb es stehen und spähte über die Ebene hinaus.
    Weit in der Ferne erhoben sich niedrige Hügel, die in den Himmel übergingen, der gelblich fahl und gesprenkelt wirkte, wie schlechtes Milchglas. Die Ebene, die dazwischen lag, wirkte wie angefaulter Samt, schwarz‐grün und runzelig, mit Streifen von Ocker und Rost dazwischen. Eine Fontäne aus flüssigem Felsgestein stieg hoch in die Lüfte und verzweigte sich in schwarze Koralle. In mittlerer Ferne entwickelte sich eine Familie aus grauen Objekten, denen man eine gewisse zielgerichtete Zweckmäßigkeit anmerken konnte: Sphären verschmolzen in Pyramiden und wurden zu Kuppeln, zu Türmchen, den Himmel durchdringende Stangen; und dann, als letzte tou r d e force , Tesserakte.
    Dem Relikt bedeutete alles das nichts; es brauchte Nahrung, und draußen auf der Ebene gab es Pflanzen. So lange es nichts Besseres gab, würden sie ihm reichen. Sie wuchsen aus dem Boden oder manchmal auf einem Flecken Wassers oder sie umgaben einen Kern aus hartem, schwarzen Gas. Sie waren feuchte, schwarze Blätterlappen, Klumpen aus spärlichen Dornen, bleichgrüne Knollen, Stengel mit Blättern und verzerrten Blüten. Sie gehörten keiner erkennbaren Gattung an, und das Relikt konnte nicht wissen, ob die Blätter und Fasern, die es gestern gegessen hatte, es heute vergiften würden.
    Es erprobte die Oberfläche der Ebene mit dem Fuß. Die glasige Fläche (obwohl sie ebenfalls wie eine Konstruktion aus roten und graugrünen Pyramiden erschien) nahm sein Gewicht an und sog plötzlich an seinem Bein. Erschreckt riß sich das Relikt los, sprang zurück und kauerte auf dem einen Augenblick lang massiven Felsgestein.
    Hunger nagte an seinem Magen. Es mußte essen. Es betrachtete die Ebene. Nicht weit entfernt spielten ein paar Organismen – rutschten, sprangen, tanzten, nahmen Posen ein. Falls sie sich nähern sollten, würde es versuchen, einen von ihnen zu töten. Sie ähnelten Menschen und sollten sich daher gut für eine Mahlzeit eignen.
    Es wartete. Lange Zeit? Kurze Zeit? Es hätte beides sein können; Dauer hatte weder quantitative noch qualitative Realität. Die Sonne war verschwunden, und es gab keine Standardzyklen und keine Wiederkehr. Zeit war zu einem leeren Wort geworden, dem jegliche Bedeutung fehlte.
    Es war nicht immer so gewesen. Das Relikt hatte sich ein paar ausgefranste Erinnerungen an die alten Tage bewahrt, ehe System und Logik obsolet geworden waren. Der Mensch hatte die Erde kraft einer einzigen Annahme beherrscht: der, daß man eine Wirkung auf eine Ursache zurückverfolgen konnte, die selbst wiederum Wirkung einer vorangegangenen Ursache war.
    Wenn man dieses grundlegende Gesetz manipulierte, so führte das zu reichen Resultaten; für jegliches andere Werkzeug oder Instrument schien es keinen Bedarf zu geben. Der Mensch gratulierte sich zu dieser seiner verallgemeinerten Struktur. Er vermochte in der Wüste, auf der Ebene, auf Eis, im Wald, in der Stadt zu überleben; die Natur hatte ihn nicht für eine spezielle Umgebung geformt.
    Er war sich seiner Verletzlichkeit nicht bewußt. Die Logik war seine besondere Umgebung; sein Gehirn sein besonderes Werkzeug.
    Dann kam die schreckliche Stunde, in der die Erde in eine Tasche der Nichtkausalität hineinrutschte, und all die geordneten Spannungen von Ursache und Wirkung lösten sich auf. Das spezielle Werkzeug war nutzlos; es konnte die Realität nicht mehr fassen. Von den zwei Milliarden Menschen überlebten nur einige wenige – die Wahnsinnigen. Sie waren jetzt die Organismen, die Herren ihrer Ära, und ihre Dissonanzen bildeten ein so exaktes Äquivalent zu den Unberechenbarkeiten des Landes, daß sie für sich eine eigenartig wilde Weisheit darstellten. Aber vielleicht war es auch so, daß die desorganisierte Materie der Welt losgelöst von der alten Organisation für Psychokinese besonders sensitiv war.
    Eine Handvoll anderer, die Relikte, schafften es, zu existieren, aber nur zufolge einer delikaten Kombination von Umständen. Sie waren diejenigen, die am stärksten mit der alten kasuellen Dynamik geladen waren. Sie hielt hinreichend an, um ihren Stoffwechsel zu kontrollieren, reichte aber nicht weiter. Sie starben schnell aus, denn Vernunft bot keinen hinreichenden Hebel, um ihre Umgebung zu kontrollieren. Manchmal klirrte ihr eigenes Bewußtsein, flammte auf, und dann erfaßte sie der Wahnsinn, und sie sprangen hinaus in die

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