Titan 5
gesamte Universum, Doktor. Aber diese bösen Lebewesen verehren ihn sicherlich nicht.«
»Bist du dessen gewiß? Sie sehen ziemlich menschenähnlich aus!«
Amos spähte über die Schulter auf den Bildschirm, wo die Leiche eines abgeschossenen Piloten zu sehen war. Diese Fremden sahen tatsächlich beinahe menschlich aus, wenn auch sehr gedrungen und muskulös. Sie waren von grüner Hautfarbe und trugen keine Kleider. Außerdem hatten sie keine Nasen, dafür zwei Öffnungen unter den seltsam flachen Ohren, die sich wie im Atmen bewegten. Aber sie waren hinlänglich humanoid, um als deformierte Menschen durchzugehen, wenn sie von guten Maskenbildnern behandelt wurden.
Ja, sie waren Geschöpfe Gottes, ebenso wie er selbst! Und konnte er sie als solche verleugnen? Er schreckte vor dem Gedanken zurück, erinnerte sich der Grausamkeiten, die sie begangen hatten, der Greuelmeldungen über Folterungen und die ungezügelte Wildheit, die so wenig zu der unglaublich hochentwickelten Technik ihrer Schiffe und Waffensysteme passen wollte. Sie waren Geschöpfe des Bösen, die ihr Geburtsrecht als Abkömmlinge des Gottesreiches verleugnet hatten. Für Geschöpfe des Bösen aber konnte es nur Haß geben. Wie konnten sie etwas anderes als die Mächte der Finsternis anbeten?
Das Stichwort Anbetung machte ihn auf die Notwendigkeit aufmerksam, eine Predigt für den Abendgottesdienst vorzubereiten. Es mußte etwas Einfaches sein; weder er noch seine Gemeinde waren in der Stimmung für Erbaulichkeiten. Heute abend würde er Gott durch die Emotionen der Gemeinde dienen müssen. Der Gedanke erschreckte ihn. Um Kraft zu finden, versuchte er sich an den flüchtigen Augenblick mystischer Erhöhung zu klammern, den er am Morgen erlebt hatte, aber das schien jetzt weit entfernt.
Draußen näherte sich Sirenengeheul, und als es mitten im ohrenzerreißenden Crescendo abbrach, meldete sich dumpfes Gekrächz aus einem Lautsprecher, der über seine normale Betriebsleistung hinaus beansprucht wurde. Amos erhob sich und trat mit Doktor Miller vor die Haustür, als der Jeep vorbeirollte. Neben dem Fahrer stand ein Mann mit einem Notverband um den Kopf und einem elektrischen Megaphon vor dem Mund. Er wiederholte seine Botschaft unablässig, während der Wagen langsam die Hauptstraße hinunterfuhr.
»Alle Bewohner werden aufgefordert, die Ortschaft zu verlassen. Unsere Streitkräfte werden umgruppiert und müssen dieses Gebiet vorübergehend räumen. Truppen der Invasoren befinden sich auf dem Vormarsch in Richtung Topeka. Sie plündern und morden. Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung kommen in großem Umfang vor. Die Streitkräfte können Ihre Sicherheit nicht garantieren. Verlassen Sie die Ortschaft. Verlieren Sie keine Zeit!«
Weitere Fahrzeuge folgten – Militärlastwagen mit Verwundeten, requirierte Privatfahrzeuge aller Art, vollgestopft mit flüchtenden, demoralisierten Soldaten. Am Schluß der lückenhaften, unorganisierten Kolonne fuhr ein zweiter Jeep, der Lautsprecherdurchsagen verbreitete.
»Achtung, Achtung! Bereiten Sie die Evakuierung vor, aber verlassen Sie die Häuser erst bei Anbruch der Dunkelheit. Es besteht die Gefahr von Tieffliegerangriffen. Der Feind steht zur Zeit fünfzehn Meilen entfernt und wird in den nächsten Stunden noch nicht hier sein. Bewahren Sie Ruhe und evakuieren Sie bei Dunkelheit. Das ist die letzte Warnung. Bleiben Sie in Deckung und räumen Sie, sobald es dunkel wird.«
Augenblicke später fetzten Geschoßgarben in die Kolonne, und Tiefflieger huschten wie dreieckige Schemen über die Dächer hinweg, gefolgt vom schrillen Heulen und Donnern der Triebwerke. Der Arzt zog Amos hastig ins Haus, aber sie sahen noch, wie Fahrzeuge und Menschen von Geschossen zerrissen wurden, die beim Aufschlag zu rauchen und in Flammen aufzugehen schienen. Einige versuchten von den fahrenden Wagen zu springen und in Deckung zu gehen, aber der Angriff war so schnell vorüber, wie er gekommen war, und die Tiefflieger kehrten nicht zurück. Als es wieder still geworden war, brachte man die Verwundeten zu den noch intakten Wagen, und die Kolonne rumpelte weiter. Zurück blieben brennende, zerschossene Fahrzeuge und verstreute Leichen.
»Diese Menschen brauchen mich!« protestierte Amos, als Doktor Miller ihn ins Haus zog.
»Ruth braucht dich auch«, entgegnete Doc. »Außerdem sind wir zu alt, Amos. Machen wir uns nichts vor; wir würden nur im Weg sein. Die Armee hat ihre eigenen Ärzte und Kapläne, nehme ich an.
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