TITAN 8
der menschliche Geist bis heute ausgedacht hat, um die Präzisionsausrüstung, die Millionen von Dollar gekostet hat, zu schützen. Und was geschieht? Die Hälfte aller Schiffe erreichen noch nicht einmal die Oberfläche. Ein Sturm ergreift sie, fegt sie hinweg, oder sie kollidieren mit einem triftenden Eisberg, einer kleinen Ausführung des Roten Flecks, oder ein Vogelschwarm rammt und zerreißt sie buchstäblich. Und für die Hälfte der Schiffe, denen die Landung gelingt, ist es ein Weg ohne Wiederkehr. Wir versuchen noch nicht einmal, sie zurückzulotsen. Wenn bei dem dort herrschenden Druck nicht irgend etwas auseinandergerissen worden ist, hat die Korrosion sie sowieso schon zerstört. Unter dem Druck des Jupiters richtet Wasserstoff die unmöglichsten Dinge mit Metallen an.
Es hat uns, alles zusammengerechnet, etwa fünf Millionen Dollar gekostet, um Joe – unseren Pseudo – dort unten abzusetzen. Jeder weitere wird, wenn wir Glück haben, nur zwei Millionen kosten.«
Viken trat die Tür auf und ging voraus in einen großen Raum mit niedriger Decke, kaltem Licht und dem Rauschen mehrerer Ventilatoren. Die Anlage erinnerte Cornelius an ein Kernforschungslabor; im ersten Moment wußte er nicht weshalb, dann erkannte er verzwickte Fernsteuerungsbedienungen, Beobachtungskameras und Wände, die Kräfte umschlossen, die den ganzen Mond vernichten konnten.
»Die benötigen wir natürlich für die Aufrechterhaltung des Drucks«, sagte Viken und deutete auf die Wandverschalungen. »Und der Kälte. Und für den Wasserstoff selbst, aber er ist das geringere Übel. Unsere Einrichtungen hier simulieren die Bedingungen der Jupiterstratosphäre. Damit begann das ganze Projekt eigentlich.«
»Ich habe schon davon gehört. Haben Sie nicht auch Sporen aus der Atmosphäre geholt?«
»Nicht ich.« Viken hüstelte. »Das gelang Tottis Crew, vor etwa fünfzig Jahren. Er hat bewiesen, daß auf dem Jupiter Leben existiert. Leben, das flüssiges Methan als Grundlage benutzte, Ammoniak in festem Aggregatzustand als Ausgangsbasis für die Nitratsynthese. Die Pflanzen benutzen die Sonnenenergie, um ungesättigte Kohlenstoffverbindungen aufzubauen, geben dabei Wasserstoff frei. Die Tiere essen die Pflanzen und reduzieren sie dabei wieder in gesättigte Bestandteile. Es gibt sogar ein Äquivalent für die Sauerstoffverbrennung. Für diese Prozesse werden komplexe Enzyme und… aber das fällt eigentlich nicht in mein Gebiet.«
»Man versteht also schon ziemlich viel von der Biochemie des Jupiter?«
»O ja. Schon zu Tottis Zeiten gab es eine hochentwickelte Biotechnologie. Man war in der Lage, irdische Bakterien zu synthetisieren, und fast alle Genstrukturen waren bekannt. Der einzige Grund für die lange Verzögerung bei der Erforschung der Lebensprozesse auf dem Jupiter lag in den technischen Schwierigkeiten. Hoher Druck und so weiter.«
»Wann hat man zum ersten Mal tatsächlich einen Blick auf die Oberfläche des Jupiters werfen können?«
»Das gelang Gray, vor etwa dreißig Jahren. Er schickte ein Schiff mit Fernsehkameras hinunter, und es hielt den Umwelteinflüssen lange genug stand, um ein paar Bilder heraufzufunken. Seit dieser Zeit wurde die Technik immer weiter entwickelt. Wir wissen, daß der Jupiter mit grauenhaften Lebensformen bevölkert ist, die wahrscheinlich gefährlicher sind als die der Erde. Die Extrapolation der Mikroorganismen aus der Atmosphäre ergab eine mögliche Synthese von Metazoen und…«
Viken seufzte. »Verdammt, wenn es dort unten nur intelligente Lebensformen gäbe! Überlegen Sie, was sie uns an Fakten und Werten berichten könnten. Cornelius, denken Sie nur einmal daran, wie weit sich die Unterdruckchemie der Erde seit Lavoisier entwickelt hat. Hier haben wir die Möglichkeit, etwas über Überdruckchemie und -physik zu erfahren, und dieses Feld bietet zumindest genauso viele Möglichkeiten!«
Nach einem Moment murmelte Cornelius verschmitzt: »Sind Sie sicher, daß es keine intelligenten Jupiterbewohner gibt?«
»Oh, natürlich könnte es Milliarden davon geben.« Viken zuckte die Achseln. »Städte, Reiche, alles, was Sie wollen. Der Umfang Jupiters entspricht dem hundertfachen der Erde, und wir haben bislang nur ein Dutzend kleinerer Regionen erforscht. Aber wir wissen, daß es auf dem Jupiter keine Radiowellen gibt. Wenn man die Atmosphäre betrachtet, erscheint es sowieso unwahrscheinlich, daß sie das Radio überhaupt erfinden könnten. Überlegen Sie nur mal, wie dick eine
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