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TITAN 8

TITAN 8

Titel: TITAN 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne SF Classics
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wohl wäre, wenn weißglühend erhitztes Gas, zu einem Flüstern erstorben, aus der Röhre in sein eigenes Zimmer und die dreiundsechzig anderen genauso großen brandete. Die Wände waren nun mit schwerem Holz verkleidet, und die Röhre selbst war eine große, leere Höhle, wo nur ein paar wilde Geschöpfe lebten. Niemand brauchte jetzt noch so viel Raum. Die Räume waren nützlich, aber die Röhre diente zu nichts mehr. Planoform-Schiffe stiegen flüsternd von den Sternen herab; aus Gründen legalisierter Bequemlichkeit landeten sie in Erdhafen, aber sie machten keinen Lärm und strahlten mit Sicherheit keine erhitzten Gase ab.
    Jestocost betrachtete die hohen Wolken hoch über sich und sagte laut zu sich selbst: »Ein schöner Tag. Gute Luft. Kein Ärger. Besseres Essen.«
    Jestocost redete oft auf diese Art mit sich. Er war ein Individualist, fast schon ein Exzentriker. Als einer der höchsten Räte der Menschheit hatte er sicherlich Probleme, aber sie waren nicht persönlicher Natur. Über seinem Bett hing ein Rembrandt-Gemälde – der einzig bekannte Rembrandt auf der ganzen Welt, genau wie er wahrscheinlich der einzige Mensch war, der einen Rembrandt würdigen konnte. An einer Wand hing ein Wandteppich, der einem längst vergessenen Reich entstammte. Jeden Morgen vollzog die Sonne ein großes Schauspiel für ihn, ihr Licht dämpfte und erhellte und verschob die Farben, so daß er fast glauben mochte, die alten Zeiten des Streits, des Mordes und der großen Tragödien hätten wieder auf der Erde Einzug gehalten. In einer verschlossenen Kassette neben seinem Bett bewahrte er ein Buch von Shakespeare, eins von Colegrove und zwei Seiten aus dem Buch des Ekklesiastes auf. Nur zweiundvierzig Personen im Universum konnten Altes Englisch lesen, und er war einer von ihnen. Er trank Wein, den er von seinen eigenen Robotern in seinen eigenen Weingärten, gelegen an der Küste des Sonnenuntergangs, machen ließ. Kurz gesagt, er war ein Mann, der sein Dasein so gestaltet hatte, daß er ein bequemes, eigensüchtiges und gutes Privatleben führen und seinen Pflichten unparteiisch und großmütig nachgehen konnte.
    Als er an diesem besonderen Morgen erwachte, konnte er noch nicht wissen, daß sich ein wunderschönes Mädchen hoffnungslos in ihn verlieben würde – und daß er, nach einhundert Jahren und mehr mit Erfahrung im Regierungsgeschäft, eine andere Herrschaft auf der Erde finden würde, die fast so stark und alt wie die seine war, und daß er für einen Grund, den er nur halb verstand, bereitwillig in Verschwörung und Gefahr schlittern sollte. Zu dieser Zeit waren all diese Dinge ihm gnädigerweise noch verborgen, so daß seine einzige Frage beim Ankleiden war, ob er sich zum Frühstück ein kleines Gläschen Weißwein gönnen sollte oder nicht. Am einhundertunddreiundsiebzigsten Tag eines jeden Jahres aß er immer Eier. Sie waren ein seltener Luxus, und er wollte sich den Genuß nicht verderben, indem er zu viele von ihnen aß, sich aber auch des Genusses nicht berauben, indem er die Erinnerung an sie vergaß, wenn er gar keine mehr aß. Er trödelte im Zimmer herum und murmelte vor sich hin: »Weißwein? Weißwein?«
    K’mell trat in sein Leben, aber er wußte es nicht. Das Schicksal hatte ihr den Sieg zugetragen; aber das wußte sie selbst nicht.
    Seitdem die Menschheit das Zeitalter der Wiederentdeckung des Menschen durchlaufen, Regierungen, Geld, Zeitungen, nationale Sprachen, Krankheiten und dann und wann auch einen Sterbefall wieder eingeführt hatte, gab es ständig Probleme mit den sogenannten Untermenschen – Leuten, die nichtmenschlich waren, sondern nur menschliche Gestalt hatten, erschaffen aus dem Urbestand der irdischen Tiere. Sie konnten sprechen, singen, lesen, schreiben, arbeiten, lieben und sterben; aber die menschlichen Gesetze hatten für sie keine Gültigkeit, definierten sie als ›Homunkuli‹ und gaben ihnen einen legalen Status, der dem der Tiere oder Roboter ähnlich war. Menschenabkömmlinge von anderen Welten wurden dagegen immer ›Hominide‹ genannt.
    Die meisten der Untermenschen taten ihre Arbeit und akzeptierten ihren halb sklavenähnlichen Status, ohne ihn in Frage zu stellen. Manche von ihnen wurden berühmt – so war K’mackintosh das erste irdische Geschöpf gewesen, dem unter normaler Schwerkraft ein fünfzig-Meter-Weitsprung gelungen war. Auf tausend Welten zeigte man sein Bild. Seine Tochter, K’mell, war ein Girly-Girl und verdiente ihren Lebensunterhalt damit,

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