TITANIC-WORLD
Chef war ein Choleriker, der jedesmal aus Leibeskräften das gesamte Büro zusammenbrüllte, wenn etwas schief gelaufen war – auch wenn die Schuld meistens bei ihm lag. Doch obwohl der englische Arbeitsmarkt alles andere als rosig aussah und eine Frau Mitte vierzig auch nicht unbedingt der begehrtesten Bewerberkategorie angehörte, hatte sich Claire nach einem neuen Job umgesehen. Das Terry ihr nicht nur die Erinnerung an eine missglückte Ehe hinterlassen hatte, sondern auch einen Haufen Schulden, die ein gewisses Monatseinkommen erforderten, hatten Claires Aussichten natürlich weiter eingeschränkt.
Niedergeschlagen aß Claire ihre Pizza. Ich wünschte wir würden wenigstens noch miteinander reden, überlegte sie und kaute lustlos auf ihrer Pizza. Dann könnte ich ihm sagen, dass ich nicht für den Teufel in höchsteigener Person arbeite und wie sehr er sich im Bezug auf die TITANIC-WORLD geirrt hat. Cecilia und Craig sind keine Sendboten der Hölle; im Gegenteil, sie sind beide kompetente Geschäftsführer und gute Chefs. Nach dem Fiasko an ihrem letzten Arbeitsplatz wusste Claire letzteres besonders zu schätzen. Für einen kurzen Moment gab sie sich der wehmütigen Erinnerung an die Abende mit Phil hin. Doch dann setzte ihr praktisch denkender
Verstand wieder ein und die Stimme der Vernunft bewahrte sie vor einem tränennassen Abend. In der Kanzlei hätte ich nicht bleiben können, dachte Claire nun bewusst sachlich. Die Situation wurde immer unerträglicher und hätte über kurz oder lang auch unsere Freundschaft belastet. Aber ich werde einen Teufel tun und jetzt anfangen mich vor mir selbst zu rechtfertigen! Mein Job in der TITANIC-WORLD ist eine echte Herausforderung und macht mir mordsmäßigen Spaß! Außerdem wäre ich ja wohl total bekloppt gewesen, ihn nur Phils hehrer Ideale wegen nicht anzunehmen. Denn wann, bitte schön, bekommt eine Frau mit fünfundvierzig Jahren, so eine tolle Chance geradezu auf dem Silbertablett serviert? Selten bis nie! Hah! Sie biss entschlossen in die Pizza und kaute nun grimmig. Wahrscheinlich hätte ich Phils Meinung nach in der Kanzlei bleiben sollen, selbst wenn die Gefahr bestand, dass ich diesem aufgeblasenen Arsch von Juniorchef irgendwann ein Messer in eben jenen gerammt hätte! Terry hat mir ja nicht nur seine persönlichen Schulden von knapp 2.000 Pfund hinterlassen – oh, nein! Dieser Mistkerl hatte ja auch noch seine Kreditkarten bis zum Limit ausgereizt und außerdem noch eine weitere Hypothek auf das Haus aufgenommen! Wie, zum Teufel, hätte ich das denn alles bezahlen sollen? Ach, scheiß drauf!!!
Nach diesem innerlichen Wutausbruch fühlte Claire sich besser. Sie gehörte zu den Menschen, die das Leben bei den Hörnern packen und sich nicht in endlosen Klagen selbst bemitleiden. Das Leben an Terrys Seite war schlecht gewesen und nur ihren beiden Söhnen zuliebe, hatte sie nie eine Scheidung in Erwägung gezogen. Doch dann war Terry plötzlich gestorben und Claire mit einundvierzig Witwe. Dem anfänglichen Schock über seinen Tod, folgte der nächste, als sie sah, in was für einem Schuldenschlamassel sie steckte. Sie opferte einen Teil ihres ersparten Geldes – von dem Terry gottlob nie eine Ahnung gehabt hatte – und bezahlte damit die offenen Kreditkartenrechnungen. Dann ging sie zur Bank, erklärte ihre Situation und bat um kleinere Ratenzahlungen. Dass sie die Bestattungskosten so gering wie möglich gehalten hatte und Terry ohne Trauerfeier, Blumen, Musik und schöner Rede beigesetzt wurde, belastete ihr Gewissen keine Sekunde. Als alles wieder in geordneten Bahnen verlief, schwor sich Claire, dass sie diese zweite Chance, die das Leben ihr bot, nutzen würde. So sehr Phils Verhalten sie auch kränkte, so weh es auch tat, den Mann, den sie liebte, verloren zu haben; Claire blieb sich und ihrem Vorsatz treu.
Cecilia von Hochstett stand vor dem Spiegel im Badezimmer und legte Rouge auf. Hinter ihr im Schlafzimmer polterte es und sie wandte sich um. Elsie räumte gerade mit Hingabe die Wäschtruhe aus und hatte dabei aus Versehen die Bücher vom Nachttisch geworfen. Ohne ihrem Missgeschick besondere Beachtung zu schenken, begutachtete sie erst noch Cecilias marineblaues BH-Set. Nach dem sie zu dem Schluss gekommen war, dass es in den Sack mit der dunklen Wäsche gehörte, hob sie die Bücher auf. Cecilia verdrehte die Augen und warf einen letzten Blick in den Spiegel. Was sie sah, gefiel ihr. Das Make-up war dezent und passte zu ihren grünen Augen
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