Titanus
höchstens eine zweistellig Zahl war, so stieg doch mit der wachsenden Summe die Hoffnung.
Obwohl die Besichtigungsgruppe nicht am täglichen FunkRundgespräch teilnahm, waren die Männer über Romains Zustand informiert. Der titanische Rundfunk berichtete dreimal täglich über den Krankheitsverlauf und gab die Summe der bisher gefangenen Bretsen bekannt.
Die Sorge um Romain überschattete die Entdeckerfreude. Andererseits aber gab die Tatsache, daß die Bevölkerung eines ganzen Planeten am Schicksal eines Menschen Anteil nahm und alles aufbot, was ihn retten konnte, neuen Mut.
Bald stimmten die Berichte optimistisch. Innerhalb von drei Tagen waren Tausende von Insekten gefangen worden, und die Sammelaktion konnte abgeblasen werden. Nach der Seltenheit der Tiere zu urteilen, mußten sich Millionen von Titanen an der Jagd beteiligt haben. Tausende von hervorragenden Wissenschaftlern und Ärzten aus allen Gebieten des Planeten hatten sich sofort nach Bekanntwerden der Erkrankung dem Rat zur Verfügung gestellt, um zu helfen, die Zusammensetzung des Sekrets zu erforschen und ein wirksames Heilmittel zusammenzustellen. Der Rat des Planeten bat über den Rundfunk, von weiteren Meldungen abzusehen, da der Chemische Rat und der Rat für Gesundheit bereits Ausschüsse gebildet hatten. Silona, die dem Rat des Planeten angehörte und Vorsitzende des Rates für Gesundheit war, leitete, unterstützt von Sandrino, die Arbeiten.
Inzwischen besuchten die Männer der Besichtigungsgruppe Atomkraftwerke, Industrieanlagen, Sanatorien, Werften, Häfen, Sender. Sie fanden überall Anlagen mit vollautomatischer Technik.
Pausenlos summten ihre Kameras und bannten farbige Bilder, wie sie das Menschenauge noch nie gesehen hatte, auf den Filmstreifen. Seitdem Romain erkrankt war, wurden die Motive noch sorgfältiger ausgewählt. Trieb Canterville einmal zur Eile, dann bekam er regelmäßig zur Antwort: »Und Romain? Wenn er sich dann die Filme ansieht und fragt, wie dieses oder jenes geschah oder aussah – können Sie sich bei der Fülle der Eindrücke alles einprägen?«
Einige Meerschweinchen waren bereits verendet, als Sandrino das Gegengift erhielt. Unverzüglich spritzte er es den noch lebenden kranken Tieren ein. Kurz darauf starben auch sie. Silona war bestürzt. Hatte sie etwas falsch gemacht? Sie hatte die Spritze gefüllt!
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Unsinn, das hätte ich gesehen! Vielleicht war die Dosis zu groß.« Er schritt in Silonas Zimmer auf und ab. »Wenn man das Gegengift weniger stark konzentrierte… Ich werde meine Genossen rufen.«
Nachmittags berieten titanische Wissenschaftler gemeinsam mit Sandrino, Sundberg, Wang Yun-chieh und Inoti. Eine neue, schwächere Konzentration des Gegenmittels wurde festgelegt, die Zusammensetzung geändert.
»Wird Romain durchhalten?« fragte Inoti, als er mit Sandrino allein war.
»Er wird künstlich ernährt und erhält regelmäßig Herzmittel. Der Prozeß schreitet nur langsam fort! Wir haben schon Blutkonserven zugeführt, das heißt Blut ausgetauscht. Aber das Herz!« erwiderte Sandrino.
Sie standen auf der Terrasse vor dem Labor. Unten im Park, zwischen duftenden Blüten, wandelten die genesenden Titanen.
Sandrino sah hinunter. In zweiundzwanzig Tagen würde der Titan mit dem doppelten Schenkelbruch dort unten die ersten Gehversuche machen. Sie aber würden den Titanus schon weit hinter sich gelassen haben. Und Romain? Würde er unter den Kronen dieser Baumriesen liegen und sein Grab von dreigliedrigen Händen gepflegt werden?
Er wandte sich unvermittelt ab und begab sich zu seinem Tieren. Vor den Boxen stand Silona.
»Niedliche Kerle«, sagte sie, als er eintrat. »Habt ihr etwas erreicht?«
»Deine Genossen haben dich gut vertreten. Wir könnten sofort spritzen!«
»Warten wir lieber, Massimo, sie sind noch zu munter! Sonst plagt dich nachher wieder der Zweifel.«
Sie standen nebeneinander.
»Wirst du mir einige Meerschweinchen hierlassen? Zur Erinnerung?«
»Such dir die schönsten aus, ich lasse noch welche von der Kosmos holen. Aber – ist es nötig…« Er stockte. »Ich meine, bist du angewiesen auf eine Erinnerung?«
»Wie meinst du das?« Sie wandte sich ihm zu.
Er faßte ihre Schultern und blickte sie ernst an.
»Würdest du mit mir kommen, auf die Erde? Ich würde
immer bei dir sein, Silona, und alles tun, damit du deine Heimat nicht vermißt.«
»Wenn es nach meinen Wünschen ginge, Massimo, gern. Aber ich bin – wie sagst du? –
Weitere Kostenlose Bücher