Titanus
»Ich bin überzeugt, daß wir in der ersten Zeit kaum zur Ruhe kommen werden. Aber die zweite Hälfte unseres Lebens werden wir sicher mit andern Dingen verbringen. Vielleicht fliegen wir drei Jahre später wieder hierher.«
»Hören Sie auf!« rief Inoti und lachte ebenfalls. »Sie können einem bange machen! Mir genügt es, nach der Rückkehr dreihundertdreißig Jahre alt zu sein.«
»Stellen wir doch einmal einen kosmischen Fahrplan auf. Start auf der Erde im Alter von dreißig Jahren im Jahre – meinethalben im Jahre zweitausend. Ankunft auf dem Titanus zweitausendeinhundertfünfzig. Rückkehr auf die Erde im Alter von vierzig Jahren im Jahre zweitausenddreihundert. In demselben Jahr der zweite Start und schließlich Rückkehr zur Erde im Alter von fünfzig Lebensjahren im Kalenderjahr zweitausendsechshundert.«
»Ihre Phantasie macht größere Sprünge, als ich sie mir vorstellen kann«, sagte Inoti ernst. »Angenommen, ein Zeitgenosse Isaac Newtons hätte sich erlaubt, einen utopischen Roman zu schreiben, in dem nur ein Viertel dessen geschildert wird, was es zur Zeit unseres Starts alles gab – was hätte man dazu gesagt?«
»Ihn wegen Gotteslästerung auf dem Scheiterhaufen verbrannt!«
»Deswegen hüte ich mich, den Propheten zu spielen. Das Leben ist einfallsreicher, farbiger und vielseitiger als die ausschweifendste Phantasie.«
»Und doch«, entgegnete Nasarow heiter, »wenn der Mensch die Fähigkeit verliert, in die Zukunft zu träumen, gleicht er einem Triebwerk mit verstopften Düsen. Mag nur ein Teil in Erfüllung gehen, mag die Entwicklung andere Wege einschlagen, der Gedanke, der Jahrhunderte überspringt und schneller als das Licht vorausfliegt, erschließt dem Menschengeschlecht neue Räume.«
Der Nachtwind frischte auf. Es wurde kühl.
»Gehen wir hinein?« Inoti schob fröstelnd die Schultern vor. Im Aufenthaltsraum trafen sie Sundberg und Timár, die ihre letzten Forschungsergebnisse auswerteten.
Der Chefarzt sah auf. »Ich war vorhin bei Genossen Sandrino.«
Nasarow setzte sich zu ihm. »Was sagt er? Haben Sie Romain gesehen?«
Sundberg lächelte. »Die Meerschweinchen sind über den Berg. Silona hat Romain schon die erste Dosis verabreicht. Ein Prachtweib!«
»Und wie steht es?«
»Noch unverändert! Bewußtlos, es geht auf und ab, er ist noch starr – aber es besteht Hoffnung, daß wir ihn durchbekommen.«
»Kann man zu ihm?«
»Silona ist unerbittlich – ich durfte nur einen kleinen Blick ins Zimmer werfen, und das auch nur, weil Sandrino sagte, ich wäre Gesundheitsminister der Kosmos. Sobald sich Romains Zustand gebessert hat, will Sandrino kurzzeitig die Befehlsheilung dazunehmen.«
»Und was macht der Schenkelbruch?«
»Der Heilungsprozeß schreitet fort, es wird wahrscheinlich schneller gehen, als Sandrino angenommen hat.«
»Morgen kommt unser zweites Heilgerät herunter«, sagte Nasarow. »Und dann werde ich Guptajee anweisen, daß er für zwei Tage an der astronomischen Forschungsarbeit hier unten teilnimmt. Ich möchte sowieso, daß wir, soweit es möglich ist, für einen Tag die Besatzung der Kosmos mit der Landungsgruppe austauschen, damit die Genossen die Stadt nicht nur auf dem Bildschirm sehen.«
Die Sonne brannte. In den Parkanlagen knallte es wie ein Trommelfeuer. Die Blütendolden mannshoher Zierbüsche zerstoben wie Feuerwerksraketen und verstreuten ihre Blättchen wie buntes Konfetti. Samenkörner flogen umher wie Schrapnellkugeln. Zweimal im titanischen Jahr gab es dieses Schauspiel, das die Titanen Fruchtregen nannten. Die beiden Tage, in deren Mittagsstunde es geschah, waren nach alter titanischer Sitte Festtage, an denen man sich gegenseitig kleine selbstgefertigte Geschenke überreichte. An diesen Tagen zog die Jugend hinaus in Feld und Wald, in Täler und Berge, um der Natur nahe zu sein.
Sandrino hatte das Blütenbersten erleben wollen. Um es nicht zu versäumen, war er schon lange vorher auf die Terrasse gegangen und hatte sich in eins der Gestelle gesetzt, die dem Liegestuhl ähnelten. Doch er hatte nicht bedacht, daß das tage- und nächtelange Wachen, das Hoffen und Bangen an den Kräften gezehrt hatte und der Körper sein Recht erzwang. Nun lag er im Schatten und schlief. Das Knallen weckte ihn nicht, auch nicht die Schritte der Patienten, die an ihm vorüber in den Park liefen, um mitten im Fruchtregen zu sein.
So fand ihn Silona, als sie auf die Terrasse trat. Ihr Gesicht war voller Freude, ihr Gang beschwingter als sonst.
Sie stellte den
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