TITLE
sind schon seit einer halben Stunde da, Mylady,« antwortete die Zofe. – »Nun, dann bringt sie mir.« – Die Zofe verließ das Zimmer und kam einige Augenblicke darauf mit einem vollständigen eleganten Herrenanzug zurück. – »Wie!« rief ich, »Sie wollen sich als Mann kleiden?« – »Ja; es ist ein Einfall des Prinzen. Wir wollen mit einigen seiner Freunde acht Tage auf dem Lande zubringen, auf die Jagd gehen und was weiß ich sonst noch alles vornehmen. Er sagte gestern zu mir: »Sie wissen nicht, was Sie machen sollen, Arabella? Sie sollen sich als Mann kleiden!« Ich ließ sogleich meinen Schneider rufen und bestellte bei ihm einen vollständigen Männeranzug, den er heute um drei Uhr abzuliefern hätte. Er versprach es mir und, wie du siehst, hat er Wort gehalten. »Nun,« fuhr Miß Arabella, sich nach der Zofe herumdrehend fort, »was wollt Ihr noch, liebe Norton?«
»Ich erwarte Ihre Befehle, um Sie ankleiden zu helfen, Mylady.« – »Dies wird Emma tun,« entgegnete Miß Arabella. »Nicht wahr, liebe Kleine, diesen Dienst wirst du mir leisten?« – »Ohne Zweifel.« – »Nun, dann geht, liebe Norton, und laßt die Postpferde kommen, damit ich in einer halben Stunde abreisen kann.« – Die Zofe entfernte sich. Arabella musterte nun, einen nach dem andern, die verschiedenen Bestandteile ihres Anzugs. Alles war höchst geschmackvoll gearbeitet und darauf berechnet, die körperlichen Vorzüge der Person, welche diese Kleider tragensollte, hervorzuheben. Der Rock war von dunkelgrünem Sammet mit goldenen Knopflöchern, die Weste von weißer Seide mit bunter Blumenstickerei; das Beinkleid von himmelblauem Sammet und die von seinem, seidenweichem Leder gefertigten Stiefel ließen, obschon sie bis über die Knie hinausragten, die Form des Beines erraten und zeigten den reizendsten kleinen Fuß, den man sehen konnte.
Arabella schien durch die Beaugenscheinigung aller dieser Gegenstände vollkommen zufriedengestellt zu werden. »Glaubst du,« sagte sie zu mir, »daß ich mich darin leidlich ausnehmen werde?« – »O, Sie werden ganz bezaubernd darin sein,« antwortete ich. – »Schmeichlerin!« entgegnete sie, indem sie ihren Hausrock auszog. »Komm, hilf mir ein wenig.« Mit diesen Worten nahm sie aus einem Schubfach ihrer Toilette ein Batisthemd mit einem Busenstreifen von prachtvollen englischen Spitzen und dergleichen Manschetten und gab es mir, um es ihr überwerfen zu helfen. Ihr Haar war bereits nach Männerart frisiert und stand wunderbar zu ihrem schönen Gesicht, dessen Ausdruck, wie sich nicht leugnen ließ, mehr der des Stolzes und der Dreistigkeit als der der Bescheidenheit war.
Sie legte dann vollends ihre Frauenkleider ab. An plastischer Schönheit hätte sie, wenn auch nicht mit den antiken Statuen, wohl aber mit denen des Mittelalters wetteifern können, die in bezug auf üppige Anmut unbestreitbar über ersteren stehen. Sie war nicht die Venus des Praxiteles oder die Victoria des Phidias; jedenfalls aber eine der Grazien von Germain Pilon.
Einige Augenblicke lang betrachtete ich mit Bewunderung diese Vollkommenheit der Formen, welche im Altertum zur Anbetung begeistert haben würde. »Nun,« sagte Arabella, »woran denkst du, kleine Zerstreute?« –, »Ich sehe Sie an, Mylady, und sage mir im stillen, daß der Prinz sehr glücklich ist.«
Sie lächelte, zuckte in bezaubernder Weise die Achseln und bückte sich, damit ich ihr das Hemd überwerfen könnte. Wie seltsam ist doch die Natur des Weibes! Ihr höchster Genuß liegt im Stolz und die süßesten Liebkosungen sind für sie die der Schmeichelei. Was war ich für Miß Arabella! Ein wenig mehr als ein Kammermädchen; gleichwohl war es augenscheinlich, daß sie meine Komplimente mit ebensoviel Begierde suchte wie die des Prinzen. Die sämtlichen anderen Verrichtungen ihrer Toilette folgten mit derselben Langsamkeit und derselben Koketterie. OhneZweifel war es jetzt nicht das erstemal, daß die launenhafte Schöne Männerkleider anlegte.
Als wir die Toilette beendet hatten, war die Metamorphose vollständig und man hätte darauf schwören mögen, daß man einen jungen Gentleman von sechzehn bis höchstens achtzehn Jahren vor sich hätte, während sie als Weib fünfundzwanzig zu zählen schien, ja aller Wahrscheinlichkeit nach dieses Alter und somit die erste Blüte des Lebens bereits überschritten hatte. In dem Augenblick, wo sie, indem sie mir über meine Ungeschicklichkeit in bezug auf ihr Halstuch Vorwürfe machte, dasselbe
Weitere Kostenlose Bücher