TITLE
mit einer Schnelligkeit und Gewandtheit, welche große Übung verriet, um ihren Hals geschlungen und damit ihre männliche Toilette vervollständigt hatte, trat Mistreß Norton wieder ein und meldete, daß die Postpferde da seien und daß der Wagen warte. Miß Arabella warf einen letzten Blick auf sich selbst und dann auf mich. Es war augenscheinlich, daß in ihr ein eigentümlicher Kampf stattfand, von welchem ich mir keine Rechenschaft geben konnte.
Dann neigte sie sich zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Du weißt wohl nicht, was ich denke?« – »Nein,« antwortete ich mit der vollkommensten Aufrichtigkeit. – »Ich denke, daß ich lieber Mann sein und dich in diesem Wagen entführen, als Weib sein und hineinsteigen möchte, selbst wenn es geschieht, um einer Einladung des Erben der Krone von England zu folgen.« Dann ergriff sie eine kleine Reitgerte, deren Griff mit einem prachtvollen Smaragd geschmückt war. »Leb' wohl,« sagte sie; »ich werde so bald wie möglich wiederkommen. Mittlerweile lasse ich dich hier als Herrin des Hauses zurück.« Und mit diesen Worten entfernte sie sich rasch, indem sie sich mit ihrer Reitgerte auf den Stiefel schlug und ihre Sporen auf dem Getäfel des Fußbodens klirren ließ. Das Fenster ging auf die Straße. Ich eilte an dasselbe, um sie noch einmal zu sehen. Leichtfertig sprang sie in die mit vier Pferden bespannte Kalesche, lichtete den Kopf empor, sah mein an der Fensterscheibe klebendes Gesicht, drückte die Hand an die Lippen und streckte sie dann nach mir aus. Die Postillone knallten mit ihren Peitschen, und der Wagen rollte im Galopp davon. Nun war ich allein in diesem lauen, von Wohlgerüchen erfüllten Zimmer, wo man unmöglich an etwas anderes denken konnte, als an Reichtum, Liebe und Wollust. Ich blieb hier eine Stunde und ließ mich von dieser entnervenden Atmosphäre durchdringen, welche Bajä für die Tugend der römischen Matronen so gefährlich machte.
Wie weit war es von hier bis zu der milden und intelligenten Atmosphäre, welche ich in dem Hause von Leicester Square, oder zu der merkantilen und bürgerlichen, welche ich in Mr. Plowdens Kaufladen, und endlich zu der puritanischen und strengen, welche ich in dem Hause des älteren Mr. Hawarden geatmet!
»Ich lasse dich als Herrin des Hauses zurück,« hatte Miß Arabella beim Fortgehen zu mir gesagt. Warum das? Welche Rechte hatte ich? Wodurch hatte ich mir eine solche Gunst erworben? Und dennoch, von welcher Art auch der Beweggrund sein mochte, dem ich sie verdankte, so war sie doch wirklich vorhanden. Ich bemerkte dies sehr bald an der Art und Weise, auf welche Mistreß Norton mich fragte, ob ich ihr noch irgendwelche Befehle zu erteilen hätte.
Befehle zu erteilen! Ich, die ich bis jetzt stets Befehle empfangen hatte! Ich darf es nicht verschweigen, daß ich immer noch von dem Gefühl meiner untergeordneten Stellung durchdrungen war. Vielleicht vergaß ich zuweilen den Punkt, von welchem ich ausgegangen war; sobald ich mich aber mit mir allein befand, fühlte ich mich eher aufgelegt, das Glück für seine Gunstbezeigungen, die mich bloß emporzuheben schienen, um meinen Fall desto tiefer zu machen, zu schelten, als ihm für diese ungeahnte Erhebung zu danken, welche, wie ich instinktartig fühlte, von seiten der Vorsehung nur ein Irrtum sein konnte. Ich antwortete, wenn Mistreß Norton mir das Vergnügen machen wollte, mit mir zu Mittag zu speisen und mich dann ins Theater zu begleiten, so würde ich ihr dafür sehr dankbar sein.
Mistreß Norton verlangte nichts Besseres, denn es war für sie ebenfalls ein hoher Genuß, ins Theater zu gehen. Sie fragte mich, welchem ich den Vorzug gäbe. Ich kannte nur eins, nämlich Drury Lane. Man gab »Macbeth«. Es war dies ein Stück, in welchem Mistreß Siddons einen ihrer größten Triumphe feierte. An diesem Abend waren die Eindrücke, die ich empfing, sehr verschieden von denen des ersten Abends. Ich durchlebte alle Phasen der Angst und des Schreckens. Jene Eigenschaften der Milde und Sanftmut, welche Mistreß Siddons in der Rolle der Julia abgingen, wurden jetzt durch die entgegengesetzten Eigenschaften ersetzt. Die Energie der Stimme, die Unbeweglichkeit ihrer Physiognomie gaben den ehrgeizigen Bestrebungen dieses Felsenherzens eine Vollkommenheit des Spiels, welche in der Szene, wo sie Macbeth zum Verbrechen treibt, ans Erhabene grenzte.Ich meine die Szene, wo sie ihren von Banquos Geist bedrohten Gatten beruhigt, und dann die, wo sie in ihrem Schlafe,
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