TKKG 073 - Hilflos in eisiger Nacht
Nitroglycerin im Dynamit oder das Trinitrotoluol, das TNT, reagierte wie ein selbst gebastelter Molotowcocktail aus Phosphor und Benzin.
... wwwwwwwwwuuuuuuuummmmmmmm...
Aus! dachte Tim. Jetzt zerreißt es den Kombi und dann uns.
Eine Druckwelle fegte über sie hinweg. Metallteile prasselten, verstreuten sich über das Gewerbegelände, regneten, sanft gemischt mit Schneeflocken, wie wieder verwendbares Konfetti herab. Stichflammen zuckten.
Der Mercedes wurde hochkant auf die linken Räder gestellt, kippte dann aufs Dach.
Der Streifenwagen, noch drei Dutzend Schritte entfernt, raste gegen eine Mauer, machte dabei den geringsten Lärm und wurde auch am geringsten beschädigt. Der Motor erstarb. Die Sirene heulte weiter. Irgendwo, weit entfernt, fiel ein Metallteil auf ein Blechdach.
... kkkkkkkklllllllleeeeeeeennnnnnnn...
Jetzt schwieg die Sirene. Die Stille war so laut - fast hätte Tim sich die Ohren zugehalten.
Er hob sein tiefgekühltes Gesicht aus dem Matsch.
"Ich lebe noch", sagte er. "Karl, Klößchen - wie ist es mit euch?"
"Ich weiß noch nicht genau", sagte Klößchen. "In einer Minute kann ich's dir sagen."
"Rein rechnerisch", ließ Karl sich vernehmen, der wie Klößchen auf dem Bauch lag und den Kopf in den Armen versteckte, "kann man so was nicht überleben. Eine solche Explosion aus solcher Nähe!
Das war die klassische Autobombe. Die Logik verlangt, dass uns mindestens mehrere Gliedmaßen fehlen."
"Im Gegenteil!" widersprach Tim, stand auf und säuberte sich. "Wir lagen im toten Winkel. Uns hat der Hauch der Vernichtung nur gestreift. Stehend wären wir zerfetzt worden und würden wie Graffiti dort an den Mauern kleben, abwaschbar. Wir haben Glück gehabt."
Keinem fehlte was. Karl und Klößchen stellten sich auf die Füße. Beide waren ziemlich blass geworden. Ohne ein Wort wurde Tim zweimal die Hand gedrückt.
Seine blitzartige Reaktion hatte alle gerettet.
Er blickte zum Streifenwagen, aus dem die beiden Uniformierten heraus krabbelten. Auch sie waren unverletzt, aber sichtlich benommen. Dem einen saß die Mütze schief auf dem Kopf, der andere hatte keine.
Vom Kombi existierte nur noch das Fahrgestell mit der
Bodenplatte und anderthalb Sitzen. Der Motorraum samt Inhalt war en bloc nach vorn geschleudert worden und versperrte dort die Straße.
"Was... war denn das?" sagte einer der Polizisten in die Schneeflocken-Stille.
"Explosion!" wusste der andere und rückte seine Mütze zurecht.
Erfahrene Beamte! dachte Tim grinsend. Die haben sofort Durchblick.
Bei Gabys Versteck wurde jetzt das Tor spaltweit geöffnet, und der TKKG-Häuptling sah das tränenüberströmte Gesicht seiner Freundin. Pfote wischte sich über die Augen und blickte her. Damit veränderte sich die Miene als gäben dunkle Wolken die Sonne frei. Gaby rannte los und flog Tim in die Arme. Er hielt sie fest und wusste genau, was sie befürchtet hatte und jetzt fühlte. Es bedurfte keiner Worte.
Der Überfall
Der Notarztwagen war gekommen. Man kümmerte sich um Wuttke. Sein linkes Bein war gebrochen, er hatte Prellungen überall und eine Platzwunde am Kopf.
Körner war verletzt. In kaum glaublicher Weise hatte ihn höhere Gewalt als Zielscheibe genommen.
Ein spitzes, dolchförmiges Metallstück war offenbar in beträchtliche Höhe geflogen, um dann im Sturzflug hinter dem HW-Elektronik-Eingangstor niederzugehen. Genau dort, wo Jumbo Körner auf dem Boden hockte. Das Metallteil hatte ihm das linke seiner gewaltigen Ohren abgetrennt und war dann wie ein Spieß in die Schulter gedrungen.
Körner brüllte vor Schmerzen. Er lag neben Wuttke im Krankenwagen. Die Schulterverletzung war weder schlimm noch tief. Aber die Ohrwunde blutete heftig.
Der Krankenwagen fuhr ab. Ein zweiter Streifenwagen kam an. Die TKKGler hatten zu Protokoll gegeben, was der Hintergrund zu den Geschehnissen hier war. Natürlich beschränkten sich die Erklärungen auf Körner und Wuttke. Gaulgesicht Selbig wurde nicht ins Spiel gebracht, denn das Geheimnis um ihn, um den verstorbenen Sprengmeister Paulmann und um Volker Sommer war noch immer und jetzt erst recht ein Fall für TKKG.
Es dunkelte früh an diesem schneereichen Tag. Um 17 Uhr wurden die Tore zum Westfriedhof abgeschlossen, und die letzten der wenigen Besucher trollten sich, bzw. sie fuhren ab vom Parkplatz.
In die Dämmerung mischte sich eine eisige Kaltluft, und der Flockenwirbel ließ nach.
Um 17.04 Uhr wurde im Dritten Hörfunk-Programm nach den Kurznachrichten der
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