Tochter der Hoffnung (German Edition)
dachte sie zufrieden, hatte sie hier her geführt. Sie hatte genug zusammen gespart, um einige Monate finanziell gut über die Runden zu kommen. Danach würde sich zeigen, was sie weiter mit ihrem Leben anfangen wollte. Bis dahin hatte sie sich vorgenommen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen und die restlichen Unterlagen ihrer Großmutter durchzusehen. In der kurzen Zeit, die sie nach der Beerdigung noch in Irland war, hatte sie einfach nicht den Willen oder auch nur die Kraft dazu gehabt. Besorgt merkte Ailish, das sich die Luft abgekühlt hatte und ein leichter Nieselregen eingesetzt hatte. Sie war so in Gedanken vertieft gewesen, dass sie den Wetterumschwung gar nicht bemerkt hatte.
Nachdem sie frierend und nass bis auf die Knochen wieder in dem kleinen Cottage angekommen war, stellte sich Ailish unter die Dusche und beschloss, sich mit einer Tasse heißer Schokolade in das Arbeitszimmer ihrer Großmutter zurückzuziehen. Sie hatte damals eine Art Truhe im Schrank ihrer Großmutter gefunden, hatte jedoch den Mut nicht aufgebracht, sie zu öffnen. Nachdem sie alle Schränke in der Küche abgesucht hatte, fand sie den alten Wasserkessel schließlich in einer Kiste in der Ecke. Sie hatte ihrer Großmutter schon vor Jahren einen modernen Wasserkocher geschenkt, doch diese blieb beharrlich bei ihrem alten Wasserteekessel. Sie sagte immer, man müsse sich schon auf so viele Veränderungen einstellen, die die Zeit mit sich bringt. Warum sollte man dann so etwas Einfaches, wie das Wasserkochen, verändern?
Schließlich machte Ailish sich dann bewaffnet mit einer Tasse heißer Schokolade auf den Weg in das Heiligtum ihrer Großmutter. Sie hatte dafür den größten Raum im Haus ausgesucht, zudem hatte man von dem alten Schreibtisch einen wunderschönen Blick aus dem Fenster. Außerdem stand in einer Ecke des Raumes ein Sessel und die Wände waren voll mit Bücherregalen und Büchern. Solange sie zurückdenken konnte, war der Schreibtisch immer voll mit Unterlagen, losen Zettel und anderen Sachen zugedeckt. Ihre Mutter hatte sich über diese Unordnung immer ziemlich aufgeregt, da sie zu den ordentlichen Menschen gehörte, bei denen man sprichwörtlich vom Boden essen konnte. Sie selbst hingegen kam ganz nach ihrer Großmutter. Auch wenn sie sich noch so sehr bemühte und immer wieder aufräumte, nach ein paar Tagen hatte das Chaos in ihrer Wohnung wieder die Oberhand. Sie verlegte ständig irgendwelche Sachen, die sie dann ein paar Tage oder Monate später überraschend wieder fand. Also setzte Ailish die Tasse auf einen freien Flecken auf dem Schreibtisch ab und schaute versonnen aus dem Fenster. Man konnte von hier aus die weiten Felder sehen und dahinter gleich das Meer. Wenn man das Fenster öffnete, konnte man es sogar riechen, ein Gemisch aus Gras, Torf und einer salzigen Meerbriese. Nach einer Weile gab Ailish sich einen Ruck und holte die Kiste aus dem Schlafzimmerschrank.
„Nanu, das sind ja alles alte Briefe und Tagebücher“, murmelte sie erstaunt.
Nachdem sie alles im ganzen Raum auf dem Boden verstreut hatte, fing sie an, die einzelnen Briefe und Bücher zu sortieren. Das erste Tagebuch hatte ihre Großmutter mit acht Jahren geschrieben.
Leicht schmunzelnd las Ailish den ersten Eintrag.
Liebes Tagebuch, mein Name ist Deidrè und ich bin heute acht Jahre alt geworden. Meine Freundin Neala hat auch vor einigen Wochen ein Tagebuch geschenkt bekommen. Ihres ist nicht so schön Lila wie du, sondern ganz Rosa mit kleinen Schleifchen auf der Vorderseite. Sie sagt, ihre Eltern haben ihr erzählt, man fängt immer mit den Worten „liebes Tagebuch“ an, das sei so eine Art Tradition. Ich finde, das ist irgendwie ziemlich komisch, also werde ich mir in den nächsten Tagen einen schönen Namen für dich ausdenken. Du bist ja jetzt so was wie meine beste Freundin, denn ich erzähle dir ja jetzt alle meine Geheimnisse und du wirst sie bestimmt auch niemandem verraten. Auch nicht diesem blöden Sean, der mich immer ärgert. Er sagt immer ganz gemeine Sachen zu mir und spielt mir immer gemeine Streiche. Mehr kann ich jetzt leider nicht mehr verraten, da ich gleich wieder runter muss, es gibt ja jetzt meinen Geburtstagskuchen und dann kommen noch mehr Tanten und Onkels vorbei. Aber Morgen werde ich dir dann bestimmt erzählen, wie der Tag weiter war und was ich noch alles geschenkt bekommen habe.
Anscheinend hatte ihre Großmutter einige Tage später ihr Tagebuch auf den Namen Fiona getauft. Sie hatte auch noch
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