Tochter der Insel - Historischer Roman
Amerika reisen wollen, um sie zu finden. Doch wo beginnen? Und was, wenn sie wieder zurückkehrte und er nicht da wäre? Schließlich klammerte Immo sich daran, dass sie irgendwann zurückkehren würde!
»Woher wusstest du, dass Gärber hinter mir her war?«
Leas Stimme riss Immo aus seinen Gedanken.
»Ich habe Hiske beim Landungsplatz angetroffen. Deinen Großvater habe ich auch kennengelernt. Nur du warst nirgends zu finden. Als Heye dann erzählte, dass er Gärber hinter dir zum Strand hat gehen sehen, da habe ich mir Sorgen gemacht und bin aufs nächste Pferd gesprungen.«
»Und der Gendarm … «
»… ist mir gefolgt. Ich arbeite schon eine geraume Weile mit dem Bankhaus Krummrat zusammen, um Gärber zu überführen. Als die Bitte an mich herangetragen wurde, den Schutzmann zu begleiten, habe ich gerne eingewilligt.«
»Du hast versucht Gärbers Machenschaften aufzudecken?«
Immo nickte. »Als du fort warst, da erkannte ich schnell, dass mit diesem feinen Herrn irgendetwas nicht stimmt. Aus Hiskes Worten konnte ich mir zusammenreimen, was kurz vor deiner Abreise geschehen war. Ich begann heimlich, Gärber zu beobachten und Informationen über ihn zusammenzutragen. Ich stattete dem Arzt, der den Tod deiner Großmutter festgestellt hat, einen Besuch ab und brachte die Hofrätin Westing dazu, mit mir nach Bremen zu reisen, um Licht in die üblen Machenschaften dieses Kerls zu bringen. Doch unsere Bemühungen blieben erfolglos.
Schließlich stieß ich beim Bankhaus Krummrat auf offene Ohren. Sie unterstützten mich bei meiner Suche nach Beweisen. Ich machte einen Mann ausfindig, der für Gärber gearbeitet hat und von ihm übers Ohr gehauen worden war. Es hat einige Überredungskünste und Geld seitens des Bankiers gekostet, den Kerl zum Reden zu bringen. Doch zu guter Letzt ist es gelungen. Der Mann hat ausgepackt und ein Haftbefehl ist gegen Gärber erlassen worden. Der Tag, an dem die Falle zuschnappen sollte, war von langer Hand vorbereitet.«
»Es war der heutige Tag, nicht wahr?«
Immo nickte. »Es hat mir wehgetan, dass ich ausgerechnet bei deiner Ankunft gestern nicht dabei sein konnte, doch das ließ sich nicht ändern. Ich habe den Besuch bei der Schulbehörde vorgeschoben und bin nach Bremen gereist.«
»Meine Großmutter war nicht die Einzige, die Gärber betrogen hat, oder?«
»Richtig. Er ist ein Verbrecher der übelsten Sorte, hat nicht nur betrogen, sondern auch gemordet. Vor einiger Zeit bin ich in dem kleinen Fischerdorf gewesen, wo Gärber aufgewachsen ist, und habe mich nach ihm erkundigt. Wer Gärbers Vater war, weiß niemand. Es heißt, seine Mutter habe für Lohn gerne Schäferstündchen mit reichen Männern verbracht. Als Gärber noch ein Kind war, heiratete sie einen Gelegenheitsarbeiter, einen Säufer und Schläger. Er vergriff sich nie an seinen leiblichen Söhnen, aber an Ferdinand und seiner Mutter.«
»Mein Gott, was für eine Kindheit«, murmelte Lea.
»Ja. Die Schule war wohl der einzige Lichtblick in seinem Leben. Ich habe mit Gärbers altem Lehrer gesprochen. Dieser Finanzberater war sein bester Schüler und konnte ungemein gut mit Zahlen umgehen. Er soll jede freie Minute genutzt haben, um zu lernen. Mit sechzehn stahl er dann den einzigen wertvollen Schmuck seiner Mutter, nahm an Geld, was er finden konnte, und verschwand. Der Lehrer hat nie wieder etwas von ihm gehört.
Ich habe Gärbers Spur dann in Bremen wieder aufnehmen können. Er hat den Schmuck verpfändet und in gute Kleidung und eine angemessene Adresse investiert. Es gelang ihm schnell, unter einem falschen Namen Lehrbursche bei einem Bankhaus zu werden. Seine Brillanz, was das Rechnen angeht, die perfekten Manieren, die er sich angeeignet hatte, und das angenehme Äußere öffneten ihm nach und nach alle Türen. Schließlich landete er bei den Krummrats und nutzte das angesehene Bankhaus als Fassade für seine verbrecherischen Tätigkeiten.«
»Was für ein verpfuschtes Leben!«
»Jeder Mensch ist für seinen Weg verantwortlich, Lea. Gärber hat einen klugen Kopf. Er hätte sein Leben ändern können.«
»Da hast du recht.«
Als sei ihr jetzt erst bewusst geworden, wie lange sie schon in seinen Armen lag, löste sich Lea verlegen von Immo.
»Hiske und Großvater werden sich sicher Sorgen machen. Wir sollten zu ihnen gehen.«
»Gott sei gepriesen, dass Immo dich gefunden hat!« Hiske schloss Lea in ihre Arme, während ihr Großvater Immo mit grenzenloser Erleichterung im Gesicht die Hand
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