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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sinnliches Vergnügen an der ganzen Prozedur machte ihn beinahe verlegen, aber sie genossen es so unschuldig wie große, verspielte Hunde. Tamino sagte sich, wenn die Halbling-Frauen für den Dienst in den Bädern bestimmt waren, gab es keinen Grund für sie, die Arbeit nicht mit Freude und Vergnügen zu verrichten.
    Schließlich war das Bad beendet. Tamino kehrte in das große Gemach zurück und stellte fest, daß seine staubige und zerschlissene Reisekleidung verschwunden war. Statt dessen fand er eine Tunika und eine Hose aus feingesponnener dun-kelroter Seide und einen schweren mit Kupferblättchen be-setzten Gürtel. Außerdem entdeckte er Unterwäsche und Strümpfe aus weicher Baumwolle.
    Seine Stiefel hatte man geputzt und auf Hochglanz poliert.
    Ein Mantel mit einer Silberschnalle vervollständigte die Aus-stattung. Der Stoff schimmerte so grau wie die silberne Kette.
    Tamino fühlte sich wieder als Prinz.
    Papageno bewunderte ihn stumm und staunend. Dann gab er ein paar Halblingen ein Zeichen – plumpe, in Leder gekleidete Geschöpfe wie der gefesselte Mann, der die Flure gefegt hatte. Sie verschwanden und kamen mit silbernen Tabletts wieder, die mit allen möglichen köstlichen Speisen und Ge-tränken beladen waren. Es gab auch einen ordentlichen Krug Wein, und Papageno stieß jämmerliche piepsende Klagelaute aus, während er Tamino die Leckerbissen vorlegte und ihm vom perlenden, blaßgelben Wein eingoß. Er war schwer und berauschend, und in ihm lag die Süße vieler Früchte. Nach dem zweiten Glas dachte Tamino: Das Glück hat sich mir wiederzugeneigt.
    Tamino lagerte bequem auf einem seidenbespannten Diwan mit unzähligen Kissen, kostete das feine Brot, das weicher und weißer war, als er es von seiner Heimat kannte, aß mit großem Appetit von den Platten mit gebratenem Fleisch und den Honigkuchen, und als er das Mahl beendet hatte, brachten die Diener seinen Bogen zurück. Man hatte ihn wie die Stiefel hergerichtet, mit einer neuen Sehne versehen, gesäubert und poliert. Außerdem gab es einen Köcher mit schön gearbeiteten Pfeilen.
    Es ließ sich manches gegen die Art einwenden, in der die Untergebenen der Sternenkönigin die Halblinge behandelten – und das konnte man ihr wohl kaum zur Last legen –, aber in ihrem Palast mangelte es nicht an Pracht und Gast-freundlichkeit.
    ∗ ∗ ∗
    Plötzlich schien sich ein heftiger, rauschender Wind zu erheben. Die Türen flogen auf, und die Stier-Halblinge, die gerade die Reste der Mahlzeit abräumten, stießen klägliche, mu-hende Laute aus und eilten so rasch davon, daß der Boden unter ihren Hufen dröhnte. Die Fenster öffneten sich weit und gaben den Blick auf die Nacht und die Sterne über den Terrassen frei.
    Dann standen die drei Damen wieder im Raum.
    Auch sie hatten sich umgekleidet und trugen dunkle Gewänder, die glitzerten, als seien sie in Mondstrahlen und Ster-nenstaub getaucht. Schimmernde Halbmonde krönten ihre Stirn. Tamino dachte: Ihre Augen glänzen im schwachen Kerzenlicht wie die ersten Sterne am Abendhimmel, die gerade draußen über den Terrassen aufgehen.
    Kamala flüsterte – Tamino kannte ihre Stimme inzwischen:
    »Sie kommt, unsere Herrin der Dunkelheit und Königin aller Sterne!«
    »Sie kommt! Erweist ihr Eure Ehrerbietung!« befahl Disa gebieterisch. Das Rauschen des Windes vor den Türen schwoll beinahe zum Sturm an. Die Fenster klapperten, die Vorhänge flatterten und raschelten wie aufgeschreckte Vögel.
    Plötzlich herrschte tiefe Stille. Die letzte Lampe verlosch, und Dunkelheit breitete sich aus. Tamino hörte ein leises Ge-räusch: Papageno klapperte mit den Zähnen, stöhnte und piepste kläglich.
    Ein schwaches Leuchten erhellte den dunklen Raum wie der aufgehende Mond. Unvermittelt stand die Königin der Nacht mit einem Donnerschlag vor ihm. Ihre Schultern um-floß ein Mantel, der von Millionen und Abermillionen Sternen schimmerte und glänzte, und der Mond krönte ihr Haupt.
    Tamino sank, geblendet von ihrer Schönheit und Majestät, ehrfürchtig auf die Knie. Der Glanz verblaßte. Plötzlich brannten auf unerklärliche Weise die Kerzen wieder, und die ehrfurchtgebietende Gestalt der Sternenkönigin schien sich verändert zu haben. Jetzt kam sie dem von tiefer Scheu er-griffenen jungen Mann nur noch wie eine zerbrechliche, alternde, zierliche Frau vor, deren kummervolles und trauriges Gesicht noch die große Schönheit ihrer Jugend verriet.
    Sie näherte sich ihm schwebend und lautlos wie eine Wolke; und wie

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