Tochter der Nacht
Menschen zwei unterschiedliche Typen auf: große, dunkle, herrische wie die Damen der Sternenkönigin, und hellhäutige, mit blonden oder rötlichen Haaren, die dem Volk aus dem Reich im Westen ähnelten. Dazwischen mischten sich unzählige Halblinge aller Arten; viele wirkten schmutzig und verkommen, ausgehungert und verwahrlost.
Es gab auch andere, die offensichtlich wie Papageno als Diener in den Häusern der Reichen lebten. Sie waren gutgenährt und gepflegt; doch meist trugen die Halblinge Halsbänder und Ketten oder Phantasiekostüme als eine Art Livree. So herausgeputzt, wirkten fast alle lächerlich. Wenn man sie entweder als Tiere oder als Menschen behandeln würde, dachte Tamino, könnten sie vielleicht schön aussehen und besäßen ihre eigene Würde.
Doch es schien entweder nur
herausgeputzte puppenhafte Wesen zu geben, die aufwendigem Spielzeug ähnelten. Sklaven mit dem Nachteil, daß sie nur halbe Menschen waren, oder schmutzige verwahrloste Tiere.
Tiere, dachte Tamino, würde man besser behandeln.
Im Palast deutete nichts auf Elend oder Vernachlässigung hin, Allerdings begegnete ihm einmal eine mitleiderregende Kreatur, halb Stier, halb Mensch, mit unglaublich breiten Schultern, einem mächtigen Brustkorb und muskulösen Armen. Dichtes, grobes Haar wuchs ihm bis tief in die niedrige Stirn, auf der sich zwei Wülste abzeichneten, als wollten ihm Hörner sprießen. Der Halbling wirkte unglücklich und stumpfsinnig, in seinem Gesicht lag nichts von der Leben-digkeit, die Tamino bei Papageno gesehen hatte.
Der Stier-Mensch trug einen derben Lederschurz, den Tamino als ebenso geschmacklos empfand wie die Federn auf Papagenos Tunika, hatte plumpe Hände mit dicken, schwieli-gen Fingern und zog einen schweren Besen durch die Flure.
Dabei stapfte er auf hornigen breiten Füßen vorwärts, die an Hufe erinnerten. Der massige, behaarte Körper war durchaus menschenähnlich, bis auf die riesigen Genitalien, die sich deutlich unter dem Lederschurz abzeichneten. An Hand-und Fußgelenken trug er schwere Fesseln, und Tamino fragte sich, was der Stier-Mann sich hatte zuschulden kommen lassen. Hatte er Mißfallen erregt, wie Papageno bei den Damen der Königin?
Seine Begleiterinnen führten Tamino in einen der Gäste-flügel.
»Fühlt Euch wie zu Hause. Wenn Ihr etwas wünscht, wird Papageno dafür sorgen, daß man es Euch bringt«, sagte Disa.
»Papageno, sei dem Prinzen ein guter Diener. Dann wird die Königin vielleicht so gnädig sein, dich zu befreien.«
Papageno verbeugte sich demütig bis zur Erde und brachte einige undeutliche Laute hervor, denn etwas anderes war ihm nicht möglich.
∗ ∗ ∗
Die drei Dirnen verließen Tamino, und er sah sich in den Räumen um. Er entdeckte ein prächtiges Bad, und ihm fiel ein, daß er seit vielen Tagen unterwegs gewesen war und sich nach dem langen Aufenthalt in der Wüste nur notdürftig in einem Teich gesäubert hatte.
»Ich möchte baden«, erklärte Tamino und bemerkte plötzlich, daß der unglückselige Papageno in der Nähe auf dem Boden hockte und unverständliche Laute von sich gab.
∗ ∗ ∗
»Du tust mir wirklich leid, armer Papageno. Ich finde, sie haben dich zu hart behandelt«, sagte er. »Dreh dich um, ich will versuchen, dich von diesem Ding zu befreien.«
Papageno wich zurück. Offensichtlich war ihm der Gedanke, das Mißfallen der Damen zu erregen, noch unangenehmer als der schmerzende Maulkorb. Papageno schob Tamino in das Bad und bedeutete ihm durch Gesten, er solle sich ent-kleiden. Kurze Zeit später kamen ein paar behaarte Halblinge herein (die Tamino an die Otter-Frau im Wald erinnerten), füllten unter lustigem Planschen die Wanne und halfen Tamino hinein. Das Wasser war angenehm, aber nicht so heiß, daß er müde geworden wäre. Voll Wohlbehagen wusch sich Tamino den Staub der Reise vom Leib, und die Otter-Wesen halfen ihm dabei. Sie umspielten ihn im Wasser und gaben ihm zu verstehen, daß es ihr größtes Vergnügen sei, wenn er sie als Schwämme und Bürsten benutzte.
Schließlich brachten sie auch große, trockene und flauschige Tücher, nachdem er widerstrebend aus dem Wasser gestiegen war und ihnen bedeutet hatte, sie seien zwar ausgezeich-nete Schwämme und Bürsten, aber zum Trocknen nicht zu gebrauchen. Das ganze Badezimmer schwamm in seifigem Wasser und Schaum, und Tamino konnte sich beim besten Willen keine angenehmeren Badegenossen vorstellen als ein paar freundliche Otter-Halblinge. Ihr offensichtlich
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