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Tochter der Nacht

Tochter der Nacht

Titel: Tochter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Paminas ihn aus seiner Versunkenheit riß.
    »Tamino! Was ist geschehen?«
    Da waren sie nun allein und nackt am Ufer und hatten die Prüfung des Wassers bestimmt nicht bestanden! Ein dichtbe-haarter Kopf mit großen schönen Augen tauchte plötzlich aus dem Wasser auf. Es war die Robben-Frau; sie hielt etwas in der Hand und streckte es Pamina entgegen.
    »Für dich«, sagte sie leise, »denn auch du hast dein Wort gehalten, meine Schwester vom Land«, und gab ihr eine große, schimmernde Perle.
    Pamina schlang ihre Arme um die Robben-Frau, die die Umarmung erwiderte, auch Tamino umarmte, wieder in die Brandung tauchte und verschwand.
    Auf einmal schämte sich Tamino nicht mehr, daß sie beide nackt waren, und hatte keine Angst, weil sie allein hier am Meerufer standen und den Weg in Sarastros Reich zurückfin-den mußten. Irgendwie, so glaubte er, hatten sie beide die Prüfung des Wassers doch bestanden. Mit der Zauberflöte und mit der Perle in Paminas Hand würde ihre Rückkehr sicher sein…
    Nachdem er lange genug gewartet hatte, setzte Tamino die Flöte an die Lippen. Und wie nicht anders zu erwarten, erschienen schon nach den ersten Tönen die Boten, schimmernd im Licht, aber dennoch fast unsichtbar.
    »Was wünscht ihr, Meister des Wassers?« fragten sie. »Und wieso seid ihr so merkwürdig bekleidet?«
    Pamina senkte schnell den Blick, doch sie antwortete, noch ehe Tamino sich hatte fassen können: »Wir tragen die Kleidung des Meervolkes, aber sie eignet sich nicht für das feste Land. Bringt uns in unsere Gemächer im Tempel und gebt uns Gewänder, wie sie dort angebracht sind.«
    »Es soll sofort geschehen, ihr Meister des Wassers«, sagten die Boten, und es klang wie Gesang, »denn das Element Luft steht euch zu Diensten.« Ein sanftes Geräusch umgab Tamino und Pamina, wie das Rauschen großer Flügel, und im nächsten Augenblick standen sie im Hof des Tempels von Atlas-Alamesios. Dort erwarteten sie der Priester, den Tamino für seinen Geleiter hielt, und eine Priesterin, die Pamina in ein weites weißes Gewand hüllte und ihr ein geflochtenes Band aus blauen, braunen und grünen Fäden um die Hüfte legte. Der Priester reichte Tamino ein ähnliches Gewand.
    Pamina hielt immer noch die Perle umklammert und sah sehr blaß aus. Tamino sah es und sprach: »Ehrwürdiger Vater, wenn die letzte Prüfung, die Prüfung des Feuers, damit beginnt, daß wir in einen glühenden Vulkan geworfen werden, dann werde ich mich dieser Prüfung nicht mehr unterziehen.
    Das könnt Ihr Sarastro von mir bestellen.«
    Der Priester lachte, und die Priesterin fiel in sein Lachen ein.
    »Das müßt Ihr nicht befürchten, Prinz Tamino. Die letzte Prü-
    fung ist wie die erste metaphorischer Natur. Ihr werdet dem Feuer nur symbolisch ausgesetzt. Kommt jetzt, mein Bruder und meine Schwester, erfrischt euch und ruht euch aus, denn morgen müßt ihr in das Land der Wandlungen gehen.
    Und ich zweifle nicht daran, daß ihr das Feuer des Vulkans, das ihr fürchtet, als die leichtere Prüfung empfinden werdet.«
     
    Neunzehntes Kapitel
    »Zum Wesen der Prüfungen gehört«, sagte der Geleiter,
    »dass sie in der Einöde stattfinden. Die Prüfung der Erde verlangte, sich in einer verhältnismäßig vertrauten Umgebung den widerstreitenden Kräften in euch zu stellen. Die späteren Prüfungen versetzen euch in Unbekanntes und Erschreckendes.
    Nun, die Prüfung des Feuers findet im Land der Wandlungen statt, einer Einöde, die nicht ihresgleichen hat. Ihr könnt un-möglich unverändert wiederkommen und könnt nur hoffen, daß die Veränderung nicht zum Schlechten führt.«
    Tamino beruhigte die Versicherung, sie würden nicht einem wirklichen Feuer ausgesetzt. Doch etwas machte ihm Angst.
    An seinem Gürtel hing zwar wieder die Zauberflöte, aber man hatte ihm auch ein Schwert gegeben und Pamina einen kleinen scharfen Dolch.
    »Darf ich Euch eine Frage stellen, heiliger Vater?« fragte Pamina. Ihr war aufgefallen, daß von allen Priestern, die Gürtel in unterschiedlichen Farben trugen, er allein ein vierfarbiges Band um die Hüfte trug: braun und blau, grün und rot.
    »Aber natürlich«, erwiderte der Priester gelassen, »fragen dürft Ihr allemal.«
    »Weshalb wurden wir den Prüfungen der Luft und des Wassers unvorbereitet ausgesetzt, während Ihr uns jetzt Anweisungen gebt?«
    Der Geleiter lächelte.
    »Auf diese Frage darf ich antworten«, sagte er. »Man hat euch nicht vorbereitet, weil das dem Wesen der Luft und des Wassers

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