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Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Titel: Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Vara
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konnte nicht.
    Und dann, zuerst zaghaft, dann immer heller, strahlender, kam das Licht auf Camilla Brabante zu, und Wärme hüllte sie ein.

Zweites Kapitel
    Was immer der Jäger in all den Jahren über die Menschen gelernt hatte, niemals war ihm dieses kleine Mädchen aus dem Kopf gegangen, und nie hatte er aufgehört, es zu suchen, wie er auch nie den Namen vergessen hatte: »Gabriella«. Er war zwischen der Jagd oft in diese Stadt der Kanäle zurückgekehrt, von der unsinnigen Hoffnung getrieben, dieses Mädchen doch noch zu finden. Vergeblich.
    Und als er an diesem Tag zur Jagd gerufen wurde, ahnte er nicht, wie einschneidend er für sein weiteres Leben sein würde. Er beeilte sich nicht einmal sonderlich, sondern schlenderte seinem Jagdgefährten ruhigen Schrittes entgegen.
    »Ich habe die Beute schon aufgespürt. Es sind zwei«, sagte dieser ohne Einleitung, »eine Frau und ein Mann.«
    »Hallo, Julian.«
    Der andere Jäger zog erwartungsgemäß eine gequälte Grimasse. »Du sollst mich nicht so nennen. Es ist gefährlich.«
    Er hob die Schultern. Er fühlte sich schon viel sicherer als noch vor einigen Menschenjahren. Es gefiel ihm, sich den Menschen anzupassen. Schließlich verbrachte er sehr viel Zeit hier.
    Zeit war für ihn irrelevant gewesen, bis er gesehen hatte, wie bedeutsam sie für die Menschen war und welchen Veränderungen sie und ihre Welt mit dem Fortschreiten der Zeit unterworfen waren. Für Menschen war sie so wichtig, dass sie sogar Zeitmesser herstellten und nicht nur Gebäude – vornehmlich Türme – damit schmückten, sondern sie in kleinem Format auch an den Handgelenken trugen. Er hatte sogar einmal einen ganzen Tag auf einem Platz verbracht, um den Weg der Zeiger einer Kirchturmuhr zu verfolgen und die Reaktion der Menschen auf die Wanderung der Uhrzeiger zu beobachten. Es war amüsant gewesen. Sein Jagdgefährte, den er seit einiger Zeit Julian nannte, obwohl »Julian« sich jedes Mal sichtbar krümmte, wenn er ihn so ansprach, hatte sich für eine Weile zu ihm gesellt, ihm und den Menschen zugesehen, ihm höflich-gelangweilt zugehört, als er die Zeit und das Treiben der Leute kommentierte, und war dann wieder verschwunden.
    Er hatte sich seit der Verschmelzung mit diesem Kind tatsächlich verändert. Anfangs war er beunruhigt gewesen, aber inzwischen hatte er, wann immer der Herr über Amisaya seinen Geist durchforschte, gelernt, gewisse Gedanken und vor allem Empfindungen nicht nur für sich zu behalten, sondern sie so gründlich wegzuschließen, dass nicht einmal Strabo sie entdecken konnte. Dieser suchte auch nicht danach – vermutlich kam er gar nicht auf die Idee, einer seiner Jäger könnte selbstständig denken oder Fragen stellen.
    Oder sich gar einen Namen geben.
    Menschen hatten schließlich auch welche. Nur Jäger hatten keine, als wären sie wesenlose Geschöpfe, mit mehr oder weniger gefühllosen Schattenkörpern, die weder hier noch dort existierten und deren einziger Sinn darin bestand, den Befehlen des Grauen Herrn gemäß die Beute zu jagen und zu stellen.
    Sein eigener Name war einfach eines Tages da gewesen, als hätte ihn jemand gerufen: Darran. Er fühlte einen unbestreitbaren Triumph, wann immer er an ihn dachte. Namen gaben Persönlichkeit und sogar Selbst bewusstsein . Sie unterschieden nicht nur Gegenstände, sondern auch ein Wesen vom anderen. Mit seinem Namen hatte er sich selbst eine Identität gegeben, die nicht einmal Strabo ihm nehmen konnte und die nur durch seinen Tod ausgelöscht wurde.
    Julian betrachtete ihn argwöhnisch. »Du siehst mit jedem Tag menschlicher aus. Wenn du nicht aufpasst, wirst du Strabo oder den Wächtern unangenehm auffallen.«
    Darran steckte provokativ seine Hände in die Hosentaschen und wippte auf den Zehenspitzen. Das gefiel ihm. Es war auf gewisse Weise befreiend. »Weshalb? Ich tue ja nichts. Ich gehorche den Befehlen, ich …«
    »Du redest zu viel«, brummte Julian, schon halb abgewandt. »Und du denkst zu viel nach.«
    »Du doch auch.«
    Julian wirbelte zu ihm herum. »Ich mache aber nicht so viel Aufhebens darum!«
    Darran zuckte nur mit den Schultern. Abermals eine menschliche Geste, die Julian noch mehr aufbrachte.
    »Es ist nicht unsere Aufgabe, die Menschen nachzuäffen oder …!«
    »… oder zu denken«, beendete Darran seinen Satz. »Also, kommen wir zur Sache. Es sind zwei. Welchen soll ich verfolgen?«
    Julian brummte etwas, dann straffte er die Schultern. »Du nimmst den Mann.« Im nächsten Moment glitt er

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