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Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten

Titel: Tochter der Schatten - Vara, M: Tochter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Vara
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wachsende Irritation und Abneigung gegen diese Welt und seine Aufgabe darin, sondern vor allem das Wiedersehen mit dem Mädchen. Verglichen mit diesem Gefühlssturm, den er verbergen musste, war seine bisherige Verschwiegenheit nichts. Es kostetet ihn seine gesamte, jahrelang kultivierte Konzentration, um sich dem Grauen Herrn zu verschließen. Zu allem Unglück verweilte dieser auch noch länger als üblich in seinem Kopf. Darran wagte es nicht einmal, deshalb unruhig zu werden.
    Strabos Geist kroch durch seinen Verstand. Er konzentrierte sich auf die Jagd nach der Beute, auf deren Widerstand. Er war zu spät gekommen, und wäre Julian nicht eingeschritten, so hätte die Beute abermals ein Opfer geschlagen. Sie hatte es verletzt, aber nicht getötet. Dankbarkeit Julian gegenüber durchflutete ihn und wurde sofort von Strabo wahrgenommen.
    »Weshalb hast du die Jagd unterbrochen?«
    Die Stimme hallte in Darrans ganzem Körper wider. Verdruss über dieses Verhör stieg in ihm hoch, den er jedoch sofort unterdrückte. Das kürzlich bei den Menschen aufgeschnappte Wort »Datenschutz« blitzte durch seinen Kopf und wurde so rasch verdrängt, wie es aufgetaucht war. »Ich glaubte, eine weitere Spur gefunden zu haben«, erwiderte er ohne zu zögern.
    Als er begriff, was er getan hatte, erstarrte er beinahe. Er hatte Übung darin, sich zu verweigern, seine Gedanken zu verbergen, aber noch nie hatte er dem Grauen Herrn bewusst die Unwahrheit gesagt. Lügen sagten die Menschen dazu. Er hatte dieses Wort oft gehört, aber bisher nicht begriffen, worum es dabei wirklich ging. Jetzt wusste er es – ein hochinteressanter Vorgang, der es wert war, näher betrachtet und eingeübt zu werden. Er hielt ganz ruhig, als der Graue Herr weiterforschte. Ergebnislos.
    Schließlich zog sich der prüfende Geist zurück. Darran war versucht, laut aufzuatmen, wusste es jedoch besser. Es fiel ihm mit jedem Moment schwerer, den Schein von Gleichgültigkeit zu wahren, denn innerlich kochte es jetzt hoch. Das Wiedersehen mit Gabriella, Neugier, Entsetzen und Widerwillen, dies alles brodelte in seinem Kopf und drohte seinen ganzen Körper zu überschwemmen.
    Die sich drängenden Menschen. Sie starrten ihn an. Früher war er ihren Blicken mit Gleichgültigkeit begegnet, ja hatte sie nicht einmal wahrgenommen – jetzt tat er nur so, als würde er sie nicht bemerken. Manche sahen ihn ängstlich an, als fürchteten sie ihn. In anderen Augen wieder glühte kaum verborgener Hass, der sich auf ihn konzentrierte. Er war wie der Schmerz feiner Stiche auf seiner Haut. Dort, jener untersetzte Kerl mit breiten Schultern, kleiner als Darran, aber viel breiter, kräftiger; er fing Darrans Blick ein. Er wollte wegsehen und konnte nicht. Zu heftig und zugleich faszinierend war der Zorn in den Augen des anderen. Jetzt hob er die Faust und schüttelte sie gegen ihn. Er schrie etwas. Darran sah durch ihn hindurch, kein Muskel zuckte in seinem Gesicht, obwohl sein Körper sich anspannte, wie um den Hass abzuwehren.
    Sein Hass war verständlich, dachte er, als er mit einem gleichgültigen Ausdruck auf die sich krümmende Gestalt vor ihm blickte. Die Verzweiflung über die Ausweglosigkeit seines Schicksals ließ den Mann sich winden, aber er kam nicht davon: Schon näherten sich die Nebelwesen, um die Schuldigen aufzusaugen, bis nichts mehr von ihnen übrig blieb. Nicht einmal ein Gedanke.
    Da löste sich mit einem Mal eine zerlumpte Gestalt aus der gaffenden Meute und stürzte auf die Nebelwesen zu. Eine Frau. Lange braune Haarsträhnen hingen ihr ins Gesicht und über die Schultern. Ihre Jacke klaffte vorn weit auseinander und bedeckte ihre Brüste nur unzureichend. Die Männer starrten sie mit offenen Mündern an, und zum ersten Mal bemerkte Darran die Begierde in ihren Gesichtern.
    Strabos Stimme donnerte über die Menge. Sie wich in einer gemeinsamen Bewegung zurück, und die Nebelwesen zögerten, lauerten. Die Frau drängte sich weiter vor, einige wollten sie aufhalten, aber sie riss sich los und fiel neben dem Mann auf die Knie.
    Er wimmerte, als sie ihn herumdrehte, und bedeckte sein Gesicht mit den Händen, es hatte vor Angst kaum mehr menschliche Züge. Sie sprach ruhig auf ihn ein. Darran konnte die Worte nicht verstehen, aber ihm entging nicht ihr eindringlicher Tonfall. Der Mann wurde ruhiger.
    Der Graue Herr selbst näherte sich. »Er hat die Gesetze gebrochen. Er ist geflohen.« Darran hörte Strabos Worte mit Verwunderung. Sollte dies eine Art von

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