Tochter der Träume / Roman
redest du?«
Er sah mich an, die knochige Hand auf das knochige Bein gestützt, und musterte mich mit einem »langen, stechenden Blick« – wie meine Großmutter gesagt hätte. »Du machst dir schon so lange etwas vor, dass du es fast selbst glaubst, nicht wahr?«
Ich schüttelte den Kopf, wünschte, ich wäre sonst wo, bloß nicht hier. Mein Eis fing an zu schmelzen, und die Unterhaltung ging mir entschieden gegen den Strich.
»Ich weiß, dass du denkst, ich sei ein dunkler Traum, aber um ehrlich zu sein – ich zweifle an deinem Verstand.«
Er lachte. »Das kann ich mir gut denken. Und ich wette, an deinem eigenen manchmal auch.«
Er hatte recht. Das tat ich, aber nur, wenn ich mir ab und zu ein paar Zweifel gestattete.
Wieder saßen wir schweigend nebeneinander. Der Saxophonspieler spielte inzwischen die Titelmelodie von
Die Jeffersons
, und mein Banknachbar begann, kräftig mit dem Fuß den Takt auf den Sandboden zu schlagen. »Ich liebe es, wenn er etwas spielt, zu dem ich tanzen könnte.«
Auch mein eigener Fuß begann zu wippen, während ich den leeren Eisbecher in den Abfalleimer warf. Er hatte recht, die Melodie ging ins Ohr.
Plötzlich stand er auf. »Ich muss jetzt gehen und dich allein lassen.«
»Warte!« Ich legte ihm eine Hand auf den Arm, um ihn aufzuhalten. »Wie heißt du?« Es konnte nicht schaden, seinen Namen zu erfahren, vielleicht müsste ich mal eine, äh, einstweilige Verfügung gegen ihn erwirken.
»Antwoine. Und du?«
Ich zögerte, aber egal. »Dawn.«
Er lachte. »Dawn – die Dämmerung. Wer auch immer dir diesen Namen gab, hatte Sinn für Humor.« Seine Heiterkeit schwand. »Wiedersehen, kleine Dawn. Pass gut auf dich auf.«
»Du auch.« Ich sah ihm mit einem Gefühl nach, das an Traurigkeit grenzte.
»Dawn?«
Ich blickte auf und erkannte gegen die Sonne die Silhouette des Mannes, auf den ich eigentlich gewartet hatte: David Boreanaz.
Hallo, Süßer.
»Freut mich, dich zu sehen.« Ich warf ihm meinen schönsten Augenaufschlag zu.
»
Ja.« Er schien ernsthaft beunruhigt zu sein, als er sich neben mich setzte, wobei er mich stark an Angel erinnerte, den er in
Buffy – Im Bann der Dämonen
gespielt hatte. »Hör zu. Es gibt etwas, das ich dir sagen muss. Etwas, das du wissen musst …«
In diesem Moment sprang ein Mädchen mit dunklen Haaren und großen blauen Augen hinter einem Busch hervor und stieß ihm einen Pflock mitten durchs Herz. Herrje, eben noch hatte ich das Gefühl genossen, DB s Oberschenkel an meinem zu spüren, und im nächsten Augenblick war ich über und über mit Vampirasche bedeckt – mir blieb vor Schreck der Mund offen stehen
.
Die Augen der »Jägerin« waren so hell, dass sie fast durchsichtig wirkten, mit einem schwarzen Rand, der wie Spinnenbeine aussah. Doch es waren nicht ihre Augen, sondern vielmehr ihr Grinsen, das mich schaudern ließ – vielleicht auch die graue Asche, die mich von Kopf bis Fuß bedeckte. Igitt – was war das? Ein Haarbüschel?
»Ich habe dich gerettet, Dawnie.«
Mit finsterem Blick wischte ich mir die Vampirreste vom Pullover. »Wovor? Es ist helllichter Tag, verdammt noch mal!«
Sie lehnte sich an die Bank und posierte in ihrem knappen Kleid vor mir. Ihr Bauch war flach und mit einem rubinroten Nabelring geschmückt. »Davor, Dinge zu hören, die du nicht hören willst.«
Ich warf ihr einen finsteren Blick zu, und das nicht nur, weil ich auf ihre gut trainierten Bauchmuskeln neidisch war. Was, bitte schön, könnte DB schon sagen, das ich nicht hören wollte? »Als wüsstest du, was ich hören wollte und was nicht.«
Sie beugte sich zu mir herunter und küsste mich – auf den Mund! Ihre Lippen waren weich und warm, aber etwas an der Berührung war mir unheimlich. Und das lag weder an dem Vampirdreck noch daran, dass sie ein Mädchen war. Vielmehr fühlten sich ihre Lippen so
real
an
.
»Ich kenne dich, Dawnie. Und ich möchte dich noch besser kennenlernen.« Sie flirtete tatsächlich mit mir!
»Sonst was?« Ich versuchte, ruhig und gefasst zu klingen, als baggerten mich tagtäglich irgendwelche Frauen an. »Rammst du mir auch einen Pflock durchs Herz?«
Sie leckte sich Asche von den Lippen und musterte mich mit einem Blick, der mich unwillkürlich erschauern ließ. »Ich könnte mir auch eine andere Stelle aussuchen.«
Ich sprang auf. Hier lief etwas völlig falsch. Ich sollte nicht hier sein und sie ebenso wenig – nicht in meinem Kopf, nicht in
meinen
Träumen. Den alten Mann hatte ich mir noch
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