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Tochter des Glueck

Tochter des Glueck

Titel: Tochter des Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa See
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kam, allerdings spricht er immer noch nicht viel, und seine Knochen sind durch die Unterernährung krumm und schwach geworden. Vielleicht wird das so bleiben, ich hoffe jedoch nicht. Die Kleine hat schnell auf die Fläschchen mit Babynahrung und frischer Sojamilch angesprochen, nur wissen wir alle nicht, welche Folgen die Mangelernährung langfristig für sie hat. Falls sie Probleme hat, nun, dann … Mein Onkel Vern hatte auch Probleme, und wir haben ihn alle geliebt. Ich selbst war die Patientin, die allen die größten Sorgen bereitete. Ich aß wenig und sprach wenig. Das Baby wollte ich niemandem außer meiner Mutter überlassen. Wie sollte ich auch, wenn Tao in der Nähe war? Z. G. und meine Mutter dachten, sie hätten richtig gehandelt, als sie Tao mit nach Shanghai nahmen, und eine Weile war ich noch zu schwach, um sie eines Besseren zu belehren. Trotzdem bat ich meine Mutter mehrfach, mich in das Haus ihrer Familie zu bringen.
    »Aber hier ist doch viel mehr Platz«, antwortete sie immer. »Wenn es dir gut genug geht, wieder Treppen zu steigen, kannst du mit Tao und dem Baby in deinem Zimmer wohnen. Hier hast du Dienstmädchen. Das ist bequemer für dich.«
    Dieses Gesprächs führten wir mehrfach in unterschiedlichen Varianten, doch sie verstand meine Anspielungen nie, und ich wollte vor Tao und aus Angst vor dem, was er tun könnte, nichts sagen. Erst als Tao von seinem Sofa in Z. G.s Wohnzimmer aufstand und anbot, den Reis für das Abendessen zu waschen – was meine Mutter, Z. G. und Dun als wichtigen Wendepunkt in seiner Genesung betrachteten –, bekam ich meine Chance. Als mein Mann den Raum verließ, bedeutete ich meiner Mutter, zu mir zu kommen. In diesem Moment rief Tao um Hilfe. Dun, Z. G. und meine Mutter folgten Taos Stimme und fanden ihn im Badezimmer.
    »Ich komme mit dem Reiswäscher nicht klar«, sagte er.
    In der Tat. Er wusch den Reis in der Toilette! Keiner konnte sich mehr halten vor Lachen. Als meine Mutter in den Salon zurückkam und es den Männern überließ, die Toilette sauber zu machen, erzählte ich ihr von Kind-Tauschen, Essen-Kochen. Innerhalb von einer Stunde hatte Mom das Baby, Ta-ming und mich aus Z. G.s Haus in ihr ehemaliges Kinderzimmer gebracht.
    »Soll sich Z. G. mit Tao abgeben!«, tobte sie. »Aber morgen, da …«
    Ich konnte sie nur mit Mühe davon abhalten, Tao bei der Polizei anzuzeigen. Da erzählte ich ihr, was ich wirklich wollte.
    »Vergiss ihn«, sagte ich. »Lass uns nach Hause gehen.«
    In dieser Nacht, in dem Zimmer, das meine Mutter einst mit meiner Tante geteilt hatte, begannen wir, einen Plan zu schmieden. Als Erstes mussten wir Tante May kontaktieren.
    »Ich habe lange damit gewartet, diesen Brief zu schreiben«, sagte Mom, als sie Stift und Papier zur Hand nahm. »Joy und das Baby sind nach Shanghai zurückgekehrt«, las sie mir vor, während sie schrieb. »Es wäre sehr schön, wenn wir uns zu einem Familientreffen in unserem alten Zuhause in Hongkong wiedersehen könnten.« Sie blickte auf und erklärte: »Sie wird wissen, dass ich das Hotel meine, in dem wir vor dreiundzwanzig Jahren gewohnt haben.«
    Ich musste dem Urteil meiner Mutter vertrauen, denn für mich war das überhaupt nicht klar. Allerdings haben meine Mutter und meine Tante immer auf eine Art und Weise kommuniziert, die ich nie ganz nachvollziehen konnte.
    »Schick uns bitte von unserem Zuhause in Hongkong eine offizielle Einladung zu einem Familientreffen«, fuhr Mom fort. »Bitte um einen Vierundzwanzig-Stunden-Besuch. Sobald ich die Einladung habe, bringe ich sie zur Polizei und ins Amt für auswärtige Angelegenheiten und beantrage Reisegenehmigungen. Und noch etwas …«
    Meine Mutter setzte den Stift ab, faltete die Hände und legte sie auf eine so förmliche, schickliche Art in den Schoß, dass ich versucht war zu lachen.
    »Ich werde meine Schwester bitten, in ihre Einladung auch Dun einzuschließen. Er hat mich gebeten, ihn zu heiraten, und ich habe den Antrag angenommen.«
    »Mom!« Ich war völlig überrascht.
    »Ohne ihn möchte ich nicht von hier fort.«
    Ich hätte mich darüber aufregen können – warum bewies sie nicht mehr Loyalität gegenüber meinem Vater? –, aber ihr Gesicht zeigte ein so glückliches Strahlen, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte, und das wiederum bereitete mir eine ungeheure Freude. Der erste Teil unseres Fluchtplans musste deshalb darin bestehen, dass meine Mutter und Dun, den ich erst ein paarmal getroffen hatte, die notwendigen Unterlagen

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