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Tochter Des Krieges

Tochter Des Krieges

Titel: Tochter Des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
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lange von der Schatulle fernhalten, die dir als rechtmäßigem Erben zusteht.
    Thomas runzelte die Stirn. Wer mochte es sein? Seine Gedanken kehrten immer wieder zum schwarzen Prinzen zurück. Eduard war alt und würde wohl nicht mehr lange leben. Der schwarze Prinz würde sein Nachfolger sein… aber würde der Prinz der teuflische neue Dämonenkönig sein? Irgendwie schien das nicht zu passen.
    Und wenn der schwarze Prinz nun ebenfalls nicht mehr lange zu leben hatte? Wer würde es dann sein? Richard… oder womöglich Lancaster?
    Ich kann dir nicht mehr sagen. Der Dämonenprinz hält sich gut verborgen.
    Thomas erinnerte sich an etwas, über das er seit Monaten nachgedacht hatte. »Heiliger… nachdem ich am Höllenschlund mit dem Dämon gesprochen habe, ist mir der Verdacht gekommen, die Dämonen könnten mithilfe von Magie ihr Aussehen verändern und sich in der Gestalt von Männern und Frauen in unsere Nähe begeben. Könnte das so sein?«
    Ja. Du hast ganz recht, Thomas, jeder, dem du begegnest, könnte ein Dämon sein. Ihre Masken sind undurchschaubar… manchmal kann nicht einmal ich sie erkennen.
    »Ich kann also niemandem trauen.«
    Niemandem außer Gott. Thomas… warum hast du mir von dieser Vermutung nicht schon in Domrémy erzählt?
    Thomas neigte den Kopf. »Ich wollte mein Wissen nicht mit dem Mädchen teilen.«
    Dann bist du ein Narr, Thomas, und selbstsüchtig. Dein Schweigen hat dir nur wenig genützt – Jeanne wusste bereits davon, und im Gegensatz zu dir gelingt es ihr viel besser, hinter die Masken zu schauen, mit denen die Dämonen sich tarnen.
    Damit verschwand der Erzengel, und Thomas war wieder allein in seiner kalten, dunklen Zelle, mit dem Gefühl, dass Jeannette womöglich doch Gottes bevorzugte Waffe war.

Kapitel Vier
     
    Die Non am Donnerstag vor der Geburt
    Unseres Herrn Jesus Christus
    Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III. (Mittag, 23. Dezember 1378)
     
    – DER NAMENLOSE TAG –
    – II –
     
     
     
    Johann, Herzog von Lancaster, eskortierte König Johann zu seiner Begegnung mit dem englischen König Eduard in Westminster in vollendeter Haltung, wie es der Stellung und der Macht aller Beteiligten gebührte. Kurz vor Mittag hielten fünf Schiffe an den Stufen, die vom Savoy Palace zur Themse hinabführten.
    Die Schiffe waren reich geschmückt: Damaststoffe und gewobene Teppiche hingen über die Reling fast bis zum Wasser hinunter; vergoldete Pavillons waren auf den beiden Hauptschiffen errichtet worden und in beiden standen in kostbare Stoffe gehüllte und mit Kissen ausgelegte Throne für Lancaster und König Johann. Weniger reich geschmückte vergoldete Pavillons befanden sich auch auf den anderen drei Schiffen, mit Sitzen für die Adligen und Ritter, die als Eskorte ausgewählt waren, und an allen fünf flatterten Fahnen und Banner – eine leuchtende, prachtvolle Zurschaustellung von Farbe, Fröhlichkeit und Macht für die Weihnachtsfeierlichkeiten der Einwohner Londons.
    Von seinem windigen, kalten Platz an der Brustwehr des Savoy Palace beobachtete Thomas, wie Lancaster und sein Gefolge König Johann durch den Innenhof des Palastes auf das Tor zum Fluss zuführten. Thomas war müde, doch er fühlte sich so ruhig und gefasst wie schon seit Wochen nicht mehr. Der Besuch des heiligen Michael – wenn er ihn auch etwas ratlos zurückgelassen hatte – hatte ihn gestärkt und ihm neue Kraft verliehen, und Thomas dankte dem Heiligen für seine Güte.
    Lancaster, König Johann und ihr Gefolge waren winzige helle Flecken tief unter ihm, verirrte Sommerschmetterlinge, die würdevoll den geflaggten Hof durchquerten. Obwohl alle Adligen und Ritter über ihren pelzbesetzten Samtgewändern zeremonielle Schwerter trugen, hatte keiner von ihnen eine Rüstung angelegt, denn in der Umgebung Londons und Westminsters war nicht mit einer Bedrohung zu rechnen.
    Thomas lächelte spöttisch. Keine »Bedrohung« ? Wer wusste schon, wie viele Dämonen unter ihnen waren, die lächelten, sich verneigten und dabei ihre eigenen Pläne verfolgten!
    Er beugte sich vor und versuchte, im Gefolge Lancasters und des französischen Königs einzelne Gesichter zu unterscheiden. Da war Hal, direkt hinter seinem Vater, und Gloucester, der schon früh am Morgen aus seinem eigenen Palast in London angereist sein musste. Da war der Bischof von London, die schwache Wintersonne funkelte auf seiner juwelenbesetzten Mitra, und hinter ihm ein in schwarze und braune Gewänder gehüllter, schaukelnder

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