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Tochter Des Krieges

Tochter Des Krieges

Titel: Tochter Des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
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würde – wenn Lancaster und seine Braut am Stephanstag ihr Hochzeitsfest hier feiern würden –, brauchte man die Feuer, um den riesigen Saal rechtzeitig für die Feierlichkeiten bis in den hintersten Winkel zu erwärmen.
    Lancaster würde mehrere Wälder verbrennen müssen, um seinen Saal richtig warm zu bekommen… doch wer konnte es sich leisten, wenn nicht er?
    Tische waren bereits für die Hochzeitsfeier aufgestellt worden, denn Lancaster würde mindestens sechshundert Gäste bewirten, und Thomas wusste, dass die Vorbereitungen in den Küchen und Vorratskammern bereits auf Hochtouren liefen.
    Im Augenblick war es ruhig, nur einige wenige Diener gingen schweigend ihren Aufgaben nach, und es war angenehm warm. Thomas schlenderte langsam vom Westende des Saals, wo er eingetreten war, auf das Podest zu, das am Ostende für die Haupttafel errichtet worden war. Seine Augen waren halb geschlossen, seine Haltung gelöst, während er die Wärme genoss und den Geruch der Kräuter und Gewürze, die auf den frischen Binsen am Boden verteilt worden waren.
    Er hörte den Mann nicht, der sich ihm von hinten näherte – so leise wie eine große schwarze Krähe, die sich auf ihr Opfer stürzte.
    »Bruder Thomas«, sagte eine flüsternde Stimme, die dennoch gebieterisch klang, »anscheinend fühlt Ihr Euch in Eurer ehemaligen Heimat sehr wohl. Ist es Euch schwergefallen, die Freuden der Falkenjagd und des Festmahls gegen die Entbehrungen einzutauschen, die ein Diener des Herrn, unseres Gottes, auf sich nehmen muss?«
    Thomas fuhr herum und wäre auf den Binsen beinahe ausgerutscht.
    Hinter ihm stand ein hochgewachsener, alter Mann, so dürr, dass er fast wie ein Skelett wirkte, in schwarze Gewänder gehüllt und auf dem Kopf die Kappe eines Lehrmeisters von Oxford. Sein Haar und der lange, strähnige Bart waren dünn und grau, die Haut seines Gesichts bleich und von alten Pockennarben gezeichnet. Das leidenschaftliche, fiebrige Leuchten in seinen Augen war der einzige Hinweis auf das innere Feuer, das in ihm loderte.
    Thomas starrte ihn an und wurde sich zu spät seiner schlechten Manieren bewusst.
    Aber musste er sich denn überhaupt einem Mann gegenüber gut benehmen, der mit großer Wahrscheinlichkeit ein Dämon in Menschengestalt war?
    »Meister Wycliffe«, sagte Thomas zur Begrüßung. Er verneigte sich nicht und machte auch keine andere Geste der Ehrerbietung, wie er es sonst gegenüber einem solchen Mann getan hätte.
    Wycliffes Mund verzog sich zu einem schmalen Lächeln, das gelbe Zähne enthüllte. »Ihr habt keine Achtung mehr vor mir, Thomas.«
    »Die hatte ich noch nie.«
    Wycliffe bedeutete ihm, seinen Spaziergang zur Stirnseite des Saals fortzusetzen. »Ihr wart immer einer meiner entschiedensten Gegner an der Universität.«
    »Und das bin ich auch heute noch.«
    »Ach, Thomas, Ihr solltet Euch in Nachsicht üben.«
    Thomas blieb stehen und zwang damit Wycliffe, es ihm gleichzutun.
    »Gegenüber solchen wie Euch werde ich keine Nachsicht üben«, sagte Thomas.
    Wycliffe runzelte die Stirn, als wollte er fragen, was Thomas damit meinte, sagte jedoch nichts. Stattdessen seufzte er schwer, verschränkte die Arme und ließ die Hände in die Ärmel seines Gewandes gleiten.
    »Lord Lancaster hat mich darum gebeten, heute Morgen nach Euch zu sehen«, sagte Wycliffe schließlich, die Augen ruhig auf Thomas’ Gesicht gerichtet.
    »Lancaster hat Euch darum gebeten?«
    Wycliffe neigte den Kopf. »Ich bin der geistliche Ratgeber meines Herrn und seines Hauses.«
    »Ihr seid ein Ketzer! «
    Wycliffe zeigte keinerlei Regung bei dieser Anschuldigung. Er war sie bereits gewohnt.
    »Weshalb?«, fragte er leise. »Weil ich vorgeschlagen habe, dass die Kirche ihren Reichtum und ihre weltliche Macht aufgeben und sich wieder auf die Werte der Kirchenväter besinnen sollte – Armut und den Dienst an Gott?«
    »Ich habe gehört, Ihr würdet Euch dafür einsetzen, dass die meisten Ämter der Kirche abgeschafft werden. Die gesamte Hierarchie der Kirche wollt Ihr auflösen.«
    »Es freut mich zu hören, dass meine armseligen Überlegungen schon so weit vorgedrungen sind. Aber meint Ihr nicht auch, Thomas, dass man einen Großteil des stinkenden, verdorbenen Fleisches der Kirche wegschneiden und verrotten lassen könnte, wenn doch die Heilige Schrift alles enthält, was wir für unsere Erlösung brauchen?«
    »Wir benötigen Geistliche, um… «
    Wycliffe brachte ihn mit einer wegwerfenden Geste zum Schweigen. »Geistliche Ratgeber

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