Tochter Des Krieges
Zug von Mönchen und Geistlichen.
Wer von ihnen konnte ein Dämon sein?
Thomas erschauerte. Bis er herausgefunden hatte, wie man einen Dämon von einem Christen unterscheiden konnte, musste er jeden verdächtigen, dem er begegnete. Überdies wusste er, dass die Dämonen ihn als einen Krieger des heiligen Michael und Gottes erkennen und sich auch zu ihm hingezogen fühlen würden.
Jeder in seiner Umgebung könnte ein Dämon sein!
Bei diesem Gedanken wurde ihm kalt ums Herz. Seit dreißig Jahren bewegten sich die Dämonen frei unter den Menschen. In dieser Zeit hätten sie jedermanns Gestalt annehmen können… jedermanns…
Da erklangen Hörner und rissen Thomas aus seinen Gedanken. Er blickte hinab – Lancaster und sein Gefolge waren verschwunden.
Thomas machte einige Schritte zur anderen Seite hin und lehnte sich über die Brüstung der dem Fluss zugewandten Seite der Mauer.
Die beiden Schiffe, die Lancaster und König Johann mit ihrem engsten Gefolge trugen, legten gerade von den Stufen ab, und die nächsten kamen sofort danach, um den Rest der Eskorte an Bord zu nehmen. Ohne großen Aufhebens stiegen sie ein, und eine Viertelstunde später schlossen sich die drei Schiffe den zweien an, die in der Mitte des Flusses auf sie warteten, dann bewegte sich der prächtige Zug nach Westen auf Westminster zu.
Während er der Prozession zuschaute, wurde Thomas plötzlich bewusst, dass der schneidende Wind ihn bis auf die Knochen durchgefroren hatte. Zitternd zog er seine Gewänder fester um sich, ging zum Treppenaufgang und stieg zum Innenhof hinunter.
Er wusste nicht recht, was er tun sollte. Er hätte sich gern mit Bolingbroke unterhalten, aber Hal hatte seinen Vater nach Westminster begleitet. Katherine? Nein, Thomas war sich nicht sicher, ob er mit ihr sprechen wollte.
Er wollte nicht wieder an das Ereignis erinnert werden, das ihn in die Kirche geführt hatte.
Also ging Thomas rasch auf die Tore zu, die von der Anlage des Savoy zum Strand führten, doch er wurde unsanft aufgehalten. Die Wachen, die zu beiden Seiten des Tores standen, versperrten ihm mit ihren Lanzen den Weg.
»Tut uns leid, Bruder«, sagte einer von ihnen, »aber Lord Lancaster wünscht, dass Ihr den Palast nicht verlasst.«
Thomas lachte leise. »Zu meiner eigenen Sicherheit, nehme ich an.«
Da bemerkte er, dass sich auf den Gesichtern der Wachtposten großes Unbehagen spiegelte, und ihm wurde klar, dass ihnen ihr Befehl überaus peinlich war. Es war nicht recht, die Bewegungsfreiheit eines Geistlichen einzuschränken oder ihn ohne die Anweisungen eines Prälaten gefangen zu halten.
Also schenkte Thomas ihnen ein freundliches Lächeln und deutete eine Verbeugung an. »Ich bewundere Euch für Eure Ergebenheit und Euer Pflichtbewusstsein gegenüber Eurem Herrn. Ich weiß, dass dies nicht auf Euren Wunsch hin geschieht.«
Die Angespanntheit in den Gesichtern der Wachleute ließ nach, und zwei von ihnen lächelten sogar.
»Ich wünsche Euch einen guten Tag«, sagte Thomas und ging wieder zurück.
Der Wind war noch eisiger geworden und hatte an Stärke zugenommen. Thomas blickte zum Himmel empor. Schwere Schneewolken trieben aus südwestlicher Richtung heran. Er grinste ein wenig boshaft; die Themse würde nun wütend und aufgewühlt sein, und zweifellos klammerten sich die Könige und ihre Eskorten in diesem Augenblick verbissen an die Armlehnen ihrer Stühle und wünschten sich, sie hätten den Weg zu König Eduards Empfang zu Pferde zurückgelegt. Was für Schmutz und Dung die Hufe der Pferde auch aufwirbeln mochten – alles wäre den schaumbekrönten Wellen vorzuziehen. Lancaster hatte ihm tatsächlich einen Gefallen damit getan, ihn im Savoy zurückzulassen.
Auf der Suche nach Wärme betrat Thomas den Hauptsaal des Palastes. Er war riesig und erstreckte sich etwa zweihundert Schritte von Ost nach West, vierzig von Nord nach Süd und weitere hundert bis zu seiner hoch aufragenden Balkendecke. Das obere Drittel der Seitenwände wurde von einer Reihe sanft geschwungener Fenster im gotischen Stil mit juwelenartigem Buntglas durchbrochen. Darunter hingen riesige prächtige Wandteppiche und die Banner Lancasters und seiner Gefolgsleute.
An der östlichen Wand befand sich ein großer Kamin und ein weiterer an der westlichen, während sich in der Mitte des Saals sechs offene Feuerstellen aneinanderreihten. In den Kaminen wie in sämtlichen Feuerstellen brannten helle Feuer: Obwohl frühestens in drei Tagen ein großes Fest stattfinden
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