Tochter des Ratsherrn
auseinander!«
Tatsächlich hielten die grimmigen Kerle inne und kehrten zurück auf die Seite ihres jeweiligen Herrn, und auch Johannes vom Berge nahm wieder Platz.
Willekin Aios war erleichtert. Auch wenn er die Versammlung leitete, befand er sich doch immer noch auf dem Besitz der Grafen, denen die Ritter eigentlich unterstellt waren.
»Ich habe etwas zu sagen«, erklang plötzlich eine liebliche Frauenstimme. Es war die der Gräfin Margarete. Schwerfällig erhob sich die eigentlich schlanke Frau und hielt sich dabei den deutlich angewachsenen Bauch. Mit dem unverwechselbaren Gang einer Schwangeren machte sie ein paar Schritte in die Richtung Gerhards II. »Ich war es, die den Nuncius dazu aufgefordert hat, nach Kiel zu kommen, um die Genesung meines Gemahls voranzutreiben. Es entzog sich meiner Kenntnis, dass er Euch verpflichtet ist; dieser Fehler ist daher mir anzulasten. Lasst den Spielmann gehen. Er ist unschuldig, oder hätte er etwa der Tochter König Christophs I., Gemahlin von Graf Johann II., einen Wunsch abschlagen sollen?« Dieser Spielzug war überaus geschickt, machte Margarete Gerhard II. mit ihren Worten doch unmissverständlich klar, dass sie in der Blutsfolge höher stand als er.
Gerhards trübe Augen blickten ohne jede Regung in Margaretes Richtung. Es war nicht auszumachen, was er dachte, doch er deutete im Sitzen eine spöttische Verbeugung an und sagte: »Gräfin, wie mir scheint, wäre das alles nicht passiert, wenn sich Weiber aus den Angelegenheiten der Männer raushalten würden. Mag Euch das eine Lehre sein.«
Margarete erwiderte nichts. Sie wusste, dass er sie derart provozieren musste, um sein Gesicht nicht zu verlieren. Eine nervenzerreißende Pause später befahl er tatsächlich: »Lasst ihn frei.«
Erleichtert gesellte sich Walther wieder zu Albert und Godeke, während Margarete langsam zu ihrem Sessel zurückschritt. Sie ignorierte den Blick ihres Gemahls.
Auch Walther sah seine Freunde nicht an. Albert und Godeke aber hatten die Worte der Gräfin, die den vermeintlichen Verrat ihres Freundes in ein anderes Licht gerückt hatten, sehr wohl vernommen. Einer Gräfin und Königstochter schlug man nur schwerlich einen Wunsch ab.
Willekin Aios hatte angesichts der sich rasant verändernden Umstände sichtlich Mühe, die Leitung der Versammlung zurückzugewinnen. Doch bevor er sich wieder dem eigentlichen Ablauf widmen konnte, galt es zunächst einmal, die ungebetenen Gäste hinauszuschaffen, auch wenn er den einstigen Ratsherrn nicht unnötig beschämen wollte. »Nun zu Euch, Albert von Holdenstede«, sagte er daher mit freundlicher, aber fester Stimme. »Wie Ihr wisst, muss ich Euch leider auffordern, die Versammlung zu verlassen. Macht die Lage bitte nicht noch unangenehmer für alle, als sie es jetzt schon ist.«
»Es tut mir leid, Bürgermeister, aber ich glaube, dass nicht Albert von Holdenstede die Lage unangenehm machen wird, sondern ich. Zumindest für einen Mann unter uns.« Johann Schinkel hatte sich erhoben. Sofort brach neue Unruhe unter den Anwesenden aus.
Der Bürgermeister hätte schreien können vor Verzweiflung. Wollte denn heute gar nichts nach Plan verlaufen? »Was gibt es denn jetzt noch, Ratsnotar? Hat das nicht Zeit bis später?«, fragte er weit ungehaltener, als er eigentlich beabsichtigt hatte.
Doch Johann Schinkel ließ sich von dem ungeduldigen Ton des Bürgermeisters nicht beirren. Dies war sein Moment, und er würde ihn nicht ungenutzt verstreichen lassen. »Nein, das hat es nicht. Ich kann nämlich nicht zulassen, dass Ihr das Haus des Walther von Sandstedt einem Geistlichen überlasst, der in Wahrheit ein Betrüger ist.«
Nun erreichte das Durcheinander im Saal einen neuen Höhepunkt. Alle schienen mit einem Mal gleichzeitig zu reden, doch Vater Everard schrie am lautesten.
»Ihr wagt es, mich einen Betrüger zu nennen? Wovon redet Ihr, Mann?«
»Ihr wisst genau, wovon ich rede!«, wetterte Johann Schinkel zurück und wandte sich dann an die Menge. »Am Tag nach dem Kranfest führte ich eine überaus interessante Unterhaltung mit Vater Everard, bei der er zugab, sich der Hilfe der Magd Johanna bedient zu haben, um die angebliche Hexe zu überführen. Die Magd Johanna ist es gewesen, die die Haarsträhne rot eingefärbt hat, und sie war es auch, an der Gott später das vermeintliche Wunder vollführte. Ist das nicht ein seltsamer Zufall?«
»Das beweist gar nichts. Gottes Wege sind unergründlich«, warf Everard erbost ein.
»Lügen dagegen
Weitere Kostenlose Bücher