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Tod am Chiemsee (German Edition)

Tod am Chiemsee (German Edition)

Titel: Tod am Chiemsee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina May
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erzählen möchte, passierte vor
einiger Zeit in meinem Heimatort Kirchmünster. Auf den ersten Blick ein
verschlafenes Städtchen im niederbayerischen Rottal. Aber das täuscht. Hinter
der idyllischen Fassade versteckt sich allerhand.
    Es begann am neunzigsten Geburtstag meines Vaters.

Dienstag, der 16. Juni
    Elf Uhr vierzig
    Mit ungewohnter Mühe drückte ich die Tür der Abstellkammer auf.
Während ich mein ganzes Gewicht gegen das grüne Holz stemmte, spürte ich, dass
sich dahinter etwas Unfassbares verbarg. Nennen Sie es weibliche Intuition,
wenn Sie wollen. Ich war schon immer sehr empfänglich für Stimmungen. Energien.
Meine Anstrengungen begleitete ein leises, schleifendes Geräusch. Merkwürdig.
Kaum fünfzig Zentimeter ließ sich die Tür öffnen, irgendetwas versperrte mir
den Zutritt. Mit der Hand auf der Klinke streckte ich vorsichtig meinen Kopf
durch die Öffnung. Auf dem Arm sträubten sich in erwartetem Grauen bereits die
Härchen.
    Ich sah einen Berg. Fliederfarben und weiß. Gliedmaßen lagen in
grotesker Anordnung auf dem gefleckten Linoleum. Das war ein Mensch! Der Hals
war überstreckt. Die Zunge hing zwischen den schwülstigen Lippen. An Stirn und
Schläfen klebten die kohlrabenschwarzen Haare. Die Augen traten mit starrem
Blick blutunterlaufen hervor. Kein Zweifel. Elvira, die Pflegerin, war tot.
    Mein Verstand versuchte erschreckend langsam, die Situation zu
erfassen. Mein Körper reagierte rascher. Unwillkürlich beschleunigte sich meine
Atmung, um sich dem rasenden Herzschlag anzupassen. Meine Muskeln konnten den
Blumenstrauß, für den ich eben noch ein Behältnis gesucht hatte, nicht mehr
halten, und er fiel klatschend zu Boden. Nach Luft schnappend schloss ich kurz
die Augen. Ich wollte hier ganz schnell weg. Geschwind drehte ich mich in die
Richtung, aus der ich gekommen war, und war im Begriff loszulaufen. Da streifte
mein Blick die zartgliedrige Alte mit den weißen Dauerwellenlocken. Sie hatte
mir vorher hilfsbereit den Tipp mit der Abstellkammer gegeben. Reglos
beobachtete sie mich, beide Hände auf den Rädern ihres Rollstuhls, bereit sich
hierher in Bewegung zu setzen. Endlich schien auf Station zwölf etwas
Interessantes passiert zu sein.
    Ich wandte mich um, schloss fest die Tür. Suchte nach einem
Schlüssel oder einer anderen Möglichkeit hier abzusperren. Ohne Erfolg. Dann
musste es eben so gehen. Ich eilte an ihr vorbei. »Bleiben Sie von der Kammer
weg und lassen Sie auch sonst niemanden hinein!«
    Ihr Mund klappte auf. Wer weiß, ob meine Ermahnung überhaupt gehört
worden war, geschweige denn, ob sie befolgt würde. Egal, ich hatte keine andere
Wahl. Ich hastete weiter, zurück zum Zimmer meiner Eltern, das ich vor fünf
Minuten sorglos verlassen hatte.
    Ganz in Gedanken bei der Tischordnung für das Geburtstagsessen war
ich den langen grauen Gang entlanggeeilt, auf der Suche nach einer Vase.
    Der dritte Bürgermeister wollte kommen. Wo sollte ich den am besten
hinsetzen? Natürlich neben meinen Vater, schließlich war es sein Geburtstag.
Sein neunzigster sogar. Deshalb hatte ich am Morgen auch diesen riesigen
Blumenstrauß in meinem Garten für ihn gepflückt. Den trug ich wie ein Baby im
Arm vor mir her und suchte die Abstellkammer. Las die Schilder an den Türen.
Hier musste es irgendwo sein. Die alte Dame hatte gelächelt und mit ihrem
gichtgekrümmten Zeigefinger auf eine grüne Tür gedeutet. Ich hatte genickt und
ebenfalls gelächelt. Arglos.
    Noch eine halbe Stunde früher war es einfach ein strahlend schöner
Junitag gewesen, der wie geschaffen dafür schien, diesen besonderen, runden
Ehrentag zu begehen. Wir hatten uns Zeit genommen, sogar mein Mann Martin hatte
Termine im Krankenhaus verschoben, um pünktlich beim Festessen dabei zu sein.
Zu sechst drängten wir uns in das Wohnzimmer meiner Eltern.
    »Alles Gute zum Geburtstag!« Ich hielt den großen Strauß mit den
bunten Sommerblumen weit von mir weg, damit ich meinen Vater umarmen konnte.
    »Herzlichen Glückwunsch, Apukám ! Ich
hoffe, du lebst noch viele Jahre in Zufriedenheit und Gesundheit.« Ich drückte
ihm einen Kuss auf seine perfekt rasierte, faltige Wange. Ganz offensichtlich
hatte er sich heute besondere Mühe mit seinem Aussehen gegeben. Die scharfen
Bügelkanten seiner feinen dunkelgrauen Anzughose waren mir sofort ins Auge
gestochen. Das seidene Einstecktuch passte zur Krawatte und aus der
Westentasche hing die goldene Uhrkette. Bevor er etwas erwidern konnte, löste
mich Martin schon

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