Tod am Chiemsee (German Edition)
etwas
unterlassen zu haben; genauso wie sie sich selbst einen Mord an einem geliebten
Menschen zugetraut hatte.
Um Liebe ging es auch bei Gregor. Er hatte um Tobias gefürchtet,
doch gewusst hatte er nichts. Weil es ihm nicht gelungen war, Tobis Worte zu
entschlüsseln, wie er Althea gestanden hatte. Erst als Tobi ihm Theresas
Medaillon zeigte, hatte Gregor die Angst gepackt. Da war ihm aufgegangen, dass
Tobi womöglich wirklich etwas gesehen haben könnte, und er wollte ihn davon
abbringen, immer nur über diese eine Nacht nachzugrübeln und zu weinen.
»Ich hab mich gefragt, wo du die ganze Zeit gesteckt hast«, sagte
Althea zu ihrem schweigsamen Mitbewohner. »Aktionen in letzter Sekunde sind
doch sonst nicht dein Ding. Ich will ja nicht vorwurfsvoll klingen, aber deine
Hinweise sind manches Mal ziemlich kryptisch.« Und die der alten Kath auch. Sie
lachte.
Mit der Eiche ist irgendwas, hatte Katharina Venzl bei ihrer letzten
Begegnung bemerkt – ein Geheimnis. Aber was dieses Geheimnis war, darüber
schwieg sie sich aus.
»Nicht jetzt, ein bisschen später …« Althea vermutete bereits neuen
Aufruhr. Sollte das Geheimnis ruhig noch ein wenig länger eines bleiben …
Nicht erst ein bisschen später, sondern schon einen Tag nach
dieser Ewigkeitsnacht hatte sich Maximilian verabschiedet. Seine Mutter sei
wieder da, sagte er, und dass er todfroh sei, endlich von seiner miesepetrigen
Oma wegzukommen.
»Die hat nichts kapiert«, beschwerte er sich. »Wahrscheinlich hat
das Gift ein paar wichtige Verbindungen im Gehirn lahmgelegt.«
Man hatte Friederike Villbrock abgeholt und ins Krankenhaus
gebracht. So schnell wurde Maximilian die miesepetrige Oma nicht los, denn sie
war im Klinikum rechts der Isar in München untergebracht worden, wo man über
eine toxikologische Abteilung verfügte.
»Solange es nur das ist«, hatte Althea erwidert. »Aber sie lebt, und
du glaubst gar nicht, wie froh mich das macht.«
»Doch, weiß ich«, gab er zurück und umarmte sie. »Ich komm wieder«,
versprach er.
»Musst du auch. Tobi hat mich gefragt, ob du Lust hast – er und ich
und du und der Kini, wir speisen nämlich gemeinsam zu Abend.«
»Ähh?«, machte Maximilian. »Schwester Althea, deine Rätsel sind echt
… unlösbar. Der Kini ist ziemlich tot. Sitzt da dann ein Bild von ihm auf dem
Stuhl oder so was?«
»Viel besser. Ich habe einen ganz netten Hausmeisterfreund auf
Schloss Herrenchiemsee …«, begann sie zu erklären. Sie hoffte sehr, dass es
klappte, aber Peter hatte es ihr beinahe zugesagt. Und aus dem beinahe würde schon noch ein definitiv werden.
»Das Tischlein-deck-dich!«, riet Maximilian. »Bohh, das ist die
Erfindung überhaupt, stimmt doch, oder?« Schlauer Maximilian.
»Und das machen wir? Wann?«
Das war eine feste Zusage zu der abendlichen Verabredung zu viert.
Natürlich musste man sich vorher erkundigen, was seine Majestät zu sich zu
nehmen gedachte, aber Althea war zuversichtlich, dass Tobi es rechtzeitig
wissen würde.
Als sie am späten Nachmittag dieses Tages durch ihren Garten
spaziert war – endlich war eine gewisse Ruhe eingekehrt –, versuchte Althea
sich und die bestohlenen Blumen davon zu überzeugen, dass es sich gelohnt habe.
Hatte es sich gelohnt? Sie hatten die Köpfe verloren und Althea um ein Haar
auch den ihren.
»Trauerst du?«, fragte eine Stimme, an die sie sich in den letzten
Wochen gewöhnt hatte und die sie nun für längere Zeit vermissen würde. Noch ein
Abschied.
»Ich bin nicht sicher«, sagte sie. »Vielleicht, weil ich es nicht
verstehe. Nicht Benedikt Lanz und auch nicht Renée und ihr Geständnis. Mein
Gott, sie war wunderschön und ich nur noch eine Hülle meiner selbst. Sie hätte
nicht morden müssen. Stefan … ich erinnere mich wieder. Es war etwas, das Renée
sagte – Rick und ich haben gestritten, das war einen Tag zuvor. Ich wusste von
seiner Affäre, und er versprach mir, er werde zu mir halten, er werde mit mir
zusammen einen Entzug machen. Das alte Leben beerdigen. So hat es auch Renée
formuliert. Aber er hat nie gesagt, dass ich es wäre, mit der er das neue Leben
teilen wollte. Vielleicht haben wir uns beide getäuscht, Renée genauso wie ich.
– Und vielleicht hat sich auch Bene Lanz in seiner Einschätzung getäuscht. Mit
zu viel Angst im Kopf kann man nicht richtig denken. Theresa wusste, wie sehr
Moritz an der Werft und an seinem Großvater hing. Möglich, dass Moritz ein paar
gute Angebote bekam, aber warum hätte er sie annehmen
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