Tod am Nil
Regentschaft von Nebmare Amenophis aufgestellt und behauen werden.«
»Dann wäre es in der Tat höchst unglückselig, wenn er zerbrochen wäre«, sagte Huy neutral und mied den Blick des Medjay. Der Pharao Amenophis III. war vor über zwanzig Jahren gestorben, aber jetzt wurden all die in Stein gemeißelten Inschriften an den öffentlichen Gebäuden so verändert, daß es aussah, als sei Amenophis der unmittelbare Vorgänger Tutenchamuns gewesen. Bald würde es sein, als hätte Echnaton nie existiert. Doch in Amenophis’ langer Regierungszeit hatte es sehr wenige kriegerische Handlungen gegeben. Unter Echnaton, als das Nordreich verlorengegangen war, hatte Haremheb das Oberkommando gehabt. Der fünfzig Jahre alte General war jetzt zum Polizeichef gewählt worden, und wie es schien, hatte er den elfjährigen Pharao sicher in die Falten seines blaugoldenen Kilts eingewickelt.
»Es wundert mich, daß Haremheb seinen Obelisken nicht mit Gold überzieht - oder wenigstens mit Bronze«, sagte die Frau des Maklers.
»Warum?« fragte Huy, obwohl er ahnte, was kommen würde. Normalerweise wurden nur Obeliske, die dem Pharao oder den Göttern geweiht waren, mit Edelmetall überzogen. Wenn sie dann gleißend in der Sonne standen, waren sie eindrucksvolle Symbole einer überwältigenden Macht.
Die Frau sah ihn spöttisch an. »Nun, weil es Bescheidenheit zeigt.«
Ihr Mann nagte an der Unterlippe.
»Einer der Sträflinge von der Barke ist in dem Durcheinander geflohen«, sagte Merymose. Huy warf ihm einen Seitenblick zu; er war nicht sicher, ob er nicht ein Zwinkern im Auge des Mannes bemerkt hatte. Die schlanke, adrette Gestalt wirkte jung, aber das Gesicht strafte diesen Eindruck Lügen. Merymose mußte ungefähr so alt wie Huy sein, vielleicht älter. Huy fragte sich, was für eine Vergangenheit er haben mochte.
»Habt ihr ihn erwischt?«
»Nein. Aber es ist ein Problem, denn er war ein politischer Häftling. Vom Hofe des Verbrechers.«
Huy sagte nichts, aber er überlegte, wer es wohl war. Vielleicht kannte er ihn.
»Der verantwortliche Steinhauer ist jetzt im Südlichen Gefängnis.«
»Was passiert mit ihm?« fragte die Frau des Maklers; es war ihr gelungen, einer Aufträgerin einen Weinkrug abzunehmen und vor sich auf den Tisch zu stellen.
Merymose spreizte die Hände. »Wenn der Gefangene in fünf Tagen nicht gefaßt ist, wird man ihm die Kehle durchschneiden.«
»Und wenn sie ihn fassen?«
»Dann wird der Gefangene gepfählt, und der Steinhauer verliert die Nase und die rechte Hand.« Merymose bemühte sich um einen neutralen Tonfall, aber Huy meinte, einen angewiderten Ausdruck in seinem Gesicht zu erkennen. Er schaute ihn neugierig an.
Die Frau trank ihren Becher leer und füllte ihn wieder. »Die armen Leute«, sagte sie und zog die Mundwinkel herab. »Die einen bezahlen es mit ihrem Leben, daß sie dem falschen Herrn gedient haben, andere können sich noch glücklich schätzen, wenn sie nur ihren Lebensunterhalt verlieren und Bettler werden. Was ist aus unserem Land geworden?«
»Halt den Mund«, zischte der Makler, aber es war zu spät. Merymose senkte den Blick und machte sich mit einem Bronzemesser über sein Essen her.
Die Musikerinnen hatten zu spielen angefangen; zwei Lautenspielerinnen und eine Oboistin versuchten sich an einer anspruchslosen Melodie, und die vierte klopfte in sanftem Rhythmus auf ihr Tamburin. Die Sängerin saß vorläufig stumm da. Sie käme später an die Reihe, wenn das Fest wüster würde. Schon waren einige Gäste betrunken; eine Frau auf der anderen Seite des Raumes hatte nach einer Kupferschüssel gerufen und erbrach sich jetzt in sie. Zwei Mädchen mit maskenhaft starren Gesichtern hielten ihr den Kopf.
Huy sah Taheb, bevor sie ihn sah. Sie war am anderen Ende des Raumes erschienen und ging jetzt von Tisch zu Tisch; sie plauderte mit allen ihren Gästen, während die Diener die Platten abräumten, neue Gänge auftrugen und die schmelzenden Duftkegel auf den Köpfen der weiblichen Gäste erneuerten. Sie war in ein gefälteltes blaues Gewand gekleidet, das in einer Linie von den Hüften bis zum Boden fiel. Ihre Augen, mit Malachit und Galen geschminkt, wirkten größer und dunkler, als er sie in Erinnerung hatte. Ein breiter Kragen aus Karneol- und Lapislazuli-Perlen in abwechselnden Reihen reichte vom Hals bis zu den Brüsten; als Verschluß diente ein silberner manchet- Anhänger, der durch ihr dichtes, dunkles Haar, das auf ihren braunen Rücken fiel,
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