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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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wäre dieses fürstlich ausgestattete Kasino sein ganz persönlicher, herrschaftlicher Besitz. Grottkamp war beeindruckt. Einen solchen Luxus hatte er im Schatten der Sterkrader Clemenskirche nicht vermutet.
    Fasziniert betrachtete er den Vitrinenschrank, in dem ein Trinkpokal von erlesener Schönheit ihn in seinen Bann zog. Die Reinheit des Silbers, die geschwungene Form, die an einen Blütenkelch erinnerte, die Gravuren in den vergoldeten Wölbungen, die kunstvolle Statuette auf dem Deckel und die Höhe von geschätzten zwanzig Zoll machten diesen Pokal zu einem Prunkstück, wie Grottkamp keins mehr gesehen hatte, seitdem er während seiner Militärzeit einmal den Kölner Domschatz besichtigt hatte.
    »Schön, nicht wahr?«, sagte Overberg, und der Stolz, der in seiner Stimme mitschwang, war unüberhörbar. »Wissen Sie, wen die kleine Statue oben auf dem Pokal darstellt?«
    »Sieht dem alten Lueg ein wenig ähnlich.«
    Der Gemeindevorsteher nickte lächelnd. »Der Pokal ist ein Geschenk des Schienenkartells an Wilhelm Lueg.«
    Von einem Schienenkartell hatte Grottkamp noch nie etwas gehört. Fragend sah er Overberg an.
    »Das Schienenkartell war ein Zusammenschluss rheinischer und westfälischer Stahlwerke«, erklärte der. »Sie wollten gemeinsam einen Großauftrag für den Ausbau des königlich bayerischen Eisenbahnnetzes an Land ziehen. Wilhelm Lueg, damals Direktor unserer Hüttengewerkschaft, reiste als Unterhändler des Kartells zu König Ludwig I. nach Bayern. Er sprach jedoch nicht gleich beim König vor, sondern suchte in München erst mal Lola Montez auf, die skandalumwitterte Mätresse Ludwigs. Er schenkte ihr ein Schienenprofil aus purem Gold und lud sie in die Oper ein. Der Dame hat das gefallen, und Lueg hatte ihren Einfluss auf den König wohl richtig eingeschätzt. Jedenfalls hat Ludwig dem rheinisch-westfälischen Schienenkartell den Großauftrag für die bayerische Eisenbahn gegeben. Und die hocherfreuten Besitzer der beteiligten Stahlwerke haben sich bei ihrem erfolgreichen Unterhändler mit diesem Pokal bedankt. Das ist jetzt ziemlich genau zwanzig Jahre her. Deshalb ist das gute Stück vorübergehend hier in der Gesellschaft Erholung zu bestaunen.«
    »Er war wirklich ein großartiger Mann, der alte Wilhelm Lueg«, sagte Grottkamp ehrfurchtsvoll.
    »Das war er, das war er ganz ohne Frage«, bekräftigte Overberg. »Dabei hatte er einmal als Hauslehrer angefangen. Das müssen Sie sich mal vorstellen!«
    Grottkamp nickte. Die Lebensgeschichte Wilhelm Luegs, der es vom Hauslehrer bei der Familie Gottlob Jacobis bis zum Hüttendirektor gebracht hatte, kannte in Sterkrade jeder.
    »Er hat aus der Hüttengewerkschaft Jacobi, Haniel & Huyssen eines der bedeutendsten Industrieunternehmen Preußens gemacht und als Gemeindevorsteher ungeheuer viel für Sterkrade getan«, stellte Carl Overberg voller Bewunderung fest.
    »Das ist schön, wie Sie über meinen Vater sprechen, meine Herren.« Der Oberingenieur und Werksleiter Carl Lueg war unbemerkt an Overberg und Grottkamp herangetreten. Freundlich begrüßte er die beiden Männer.
    »Sie sind meinem Vater ja schon dann und wann begegnet, als Sie noch ein Knabe waren. Erinnern Sie sich noch daran?«, fragte Lueg den Polizeidiener.
    Grottkamp nickte eifrig. »Meine älteste Schwester war einige Jahre als Dienstmagd bei Ihren Eltern. Ich habe sie wohl hin und wieder besucht oder abgeholt. So genau weiß ich das nicht mehr. Jedenfalls bin ich damals gelegentlich Ihrem Vater über den Weg gelaufen.«
    »Er hat Sie für einen aufgeweckten Jungen gehalten«, erinnerte Carl Lueg sich. »Und als die Gemeinde Sterkrade einen Polizeidiener brauchte, da hat er gleich an Sie gedacht. ›Der Martin vom Grottkamphof, der hat’s doch bis zum Unteroffizier gebracht. Der wäre einer für diesen Posten‹, hat er gesagt.«
    Grottkamp fühlte sich geschmeichelt.
    »Dann kommen Sie mal!«, forderte Carl Lueg ihn auf. »Der Direktor Haniel und der Oberingenieur Jacobi, die warten da drüben.«

    Ein wenig mulmig war’s Martin Grottkamp schon, als er die beiden hohen Herren entdeckte, die an einem abseits stehenden Tisch in einer Ecke des Saales Platz genommen hatten. Höflich erhoben sie sich, als Lueg sich mit dem Gemeindevorsteher und dem Polizeidiener zu ihnen gesellte.
    Natürlich kannte Grottkamp die beiden Hüttenchefs. Louis Haniel sah er beinahe täglich, wenn der Herr Generaldirektor vor seiner großzügigen Villa am Rande des Marktplatzes eine Kutsche bestieg, oder

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