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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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voraus war«, stellte Carl Lueg klar.
    Den entscheidenden Vorsprung, so erfuhr Grottkamp, hatten die Engländer gewonnen, weil es ihnen schon frühzeitig gelungen war, aus Kohle einen Koks herzustellen, der für die Eisenverhüttung brauchbar war. An Ruhr und Emscher wurden die Hochöfen immer noch mit Holzkohle beschickt. Und die wurde immer knapper und teurer. Alle Versuche, die Schmelzöfen mit heimischer Steinkohle zu befeuern, misslangen. Die unveredelte Kohle backte während des Schmelzvorgangs zusammen und ließ keine erfolgreiche Eisengewinnung zu.
    In den dreißiger und vierziger Jahren war das in England gewonnene Roheisen so gut und so preiswert, dass die Hüttengewerkschaft Jacobi, Haniel & Huyssen die Eisengewinnung vollkommen einstellte und sich auf die Weiterverarbeitung des englischen Roheisens beschränkte. Doch es wurmte die Hüttenherren an Rhein und Ruhr mächtig, im Existenzkampf gegen die übermächtige englische Industrie immer wieder nur zweiter Sieger zu sein.
    Von Leopold Hoesch, einem Hüttenbesitzer aus Düren, wurde erzählt, er habe sogar den Strang riskiert, als er sich auf der Insel des Nachts in ein Hüttenwerk geschlichen habe, um sich einmal einen englischen Hochofen aus der Nähe ansehen zu können. Und kein geringerer als Alfred Krupp reiste unter dem falschen Namen Schropp durch Belgien, Frankreich und England, besuchte Hüttenwerke, machte sich Aufzeichnungen und Skizzen und kam so den Geheimnissen der englischen Stahlerzeugung allmählich auf die Spur.
    »Nun, ich glaube nicht, dass wir diese Herren als Spione bezeichnen sollten«, sagte Haniel lächelnd.
    »Dass unsere heimische Industrie in den vergangenen Jahren die englische eingeholt hat, haben wir letztlich ohnehin den Visionen und der Tatkraft unserer großen Industriepioniere zu verdanken, zum Beispiel deinem Vater«, sagte Lueg zu Louis Haniel.
    An Grottkamp gewandt erklärte er: »Franz Haniel ist es 1834 gelungen, durch das Mergelgestein hindurch auf die darunter liegenden Kohleflöze zu stoßen. Hundert Meter Ton und Kalk, und darunter unser schwarzes Gold! Franz Haniel hat es uns erschlossen. Trotz vieler Misserfolge und großer finanzieller Verluste hat er sich nicht von der Idee abbringen lassen, dass man Förderschächte bis in große Tiefen treiben könne. Das war der Anfang des modernen Bergbaus. Ohne Haniels Pionierleistung gäbe es heute keine der Zechen, die jetzt überall ringsum entstehen.«
    »Und 1849 gelang es dann endlich, unsere Ruhrkohle zu brauchbarem Koks zu veredeln«, fügte Hugo Jacobi hinzu. »Das war der Durchbruch. Jetzt hatten wir die Engländer endlich eingeholt. Wir hatten Kohle, konnten sie aus großen Tiefen fördern und wussten, wie man daraus den Koks herstellt, den man zur Eisengewinnung braucht. Und in der Weiterverarbeitung hatten wir in der Zeit, als wir das Roheisen noch von den Engländern bezogen, ohnehin schon große Fortschritte gemacht.«
    »Die Hüttengewerkschaft war dann eines der ersten Unternehmen an der Ruhr, das den Verbund all dieser Prozesse der modernen Montanindustrie angestrebt und erreicht hat«, sagte Louis Haniel stolz. »Schon 1855 haben wir den ersten Kokshochofen angeblasen. Seit 1857 fördern wir selbst Kohle in unserer ersten hütteneigenen Zeche in Oberhausen und veredeln sie in unserer Kokerei. Von der Roheisenerzeugung bis zur Fertigung unserer Produkte hier in den Sterkrader Werkstätten sind wir jetzt endlich in allen Bereichen eine ernsthafte Konkurrenz für die englische Industrie.«
    »Und jetzt fürchten Sie, dass die Engländer genauso neugierig sind, wie die deutschen Industriellen es einmal waren?«, fragte Grottkamp.
    Haniel schüttelte den Kopf, und Lueg sagte: »Nein, eigentlich nicht.«
    »So recht können wir uns ehrlich gesagt keinen Reim auf die Absichten von Mister Banfield machen«, erklärte Jacobi. »Wir sind den Engländern ja nun nicht meilenweit voraus. Sicher, es gibt immer wieder interessante Entwicklungen hier und da, von denen die Konkurrenz gerne wüsste. Aber wenn Mister Banfield Neuigkeiten mit nach England nehmen wollte, dann müsste er sich schon an die Herren Ingenieure halten. Was er von unseren Arbeitern erfahren will, auch wenn es qualifizierte Leute sind, das ist uns ein Rätsel. Ein Mann wie dieser verstorbene Hammerschmied Terfurth zum Beispiel, der hätte den Engländern nun wirklich nichts erzählen können, was sie nicht schon lange wissen.«
    Jetzt schien es Grottkamp an der Zeit, von seinen neuesten

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