Tod an der Ruhr
konnte er von seiner braven Vermieterin alle Tage haben, wenn er ihr dafür ein Weilchen zuhörte.
Er öffnete die Tür weit, drehte Margarete Sander den Rücken zu, ging zum Tisch in der Mitte seines Amts- und Wohnzimmers und setzte sich. Die junge Frau trat hinter ihm ein, schloss die Tür und blieb neben ihr stehen.
»Was ist? Willst du dich nicht setzen?«
Margarete lächelte scheu. Wortlos nahm sie auf dem Stuhl Platz, auf dem zuletzt Elisabeth Terfurth gesessen hatte. Ihr Blick irrte neugierig durch die Stube. Einige Male streifte er den Polizeidiener, der ihr gegenüber saß.
»Bei Ihnen riecht es gut«, stellte sie zaghaft fest.
»Frau Schlagedorn brennt Kaffee.«
Margarete nickte.
»Bei Johanna Spieker riecht es auch gut. Hab ich heute festgestellt«, sagte Grottkamp nach einer Weile.
»Ich weiß. Ich war auch bei ihr. Als ich ankam, da waren Sie gerade weg.«
»Dann hätten wir uns eigentlich begegnen müssen.«
Margarete Sander schüttelte den Kopf. »Ich bin quer durch den Wald gelaufen. Ich gehe nicht gerne über ausgetretene Wege.«
»Hätte ich mir denken müssen«, knurrte Grottkamp und sah sie stirnrunzelnd an.
Sie hielt seinem Blick stand und sagte: »Sie haben die alte Anna gefragt, ob ich das Liebchen vom Klumpenwirt gewesen bin.«
Grottkamp lachte auf. »Das Liebchen vom Klumpenwirt? So habe ich das sicher nicht gesagt. Ob die Anna weiß, dass du auch mit dem Küppken rumgehurt hast, das hab ich sie gefragt.«
Margarete senkte den Kopf und schwieg.
Auch Grottkamp sagte eine Weile nichts. Dann platzte es aus ihm heraus: »Dass du mich beinahe um den Finger gewickelt hättest, Mädchen, das ärgert mich am meisten. Ich hätte es von Anfang an wissen müssen, dass du eine Hure bist. Zu Recht haben sie dich ins Gefängnis gesteckt und ins Arbeitshaus. Und da gehörst du auch wieder hin, weil du sonst niemals aufhören wirst mit deinem unzüchtigen Lebenswandel.«
»Küppken hatte mir versprochen, mich zu heiraten. Sonst wäre ich nie mit ihm ins Bett gegangen.«
Grottkamps Lachen klang böse. »Erst der Bauer Oppermann, dann der Herr Postinspektor in Köln, und jetzt auch noch der Klumpenwirt! Alle versprechen der kleinen Grete die Ehe, und schon hebt sie ihre Röcke. Bist du denn nie auf die Idee gekommen, dass die Kerle nur ihr billiges Vergnügen mit dir haben wollten? Dass du wirklich so dämlich bist, Grete Sander, das kann ich nicht glauben.«
»Ich hatte keinen Grund, an ihren Versprechungen zu zweifeln«, sagte Margarete trotzig. »Sie waren ehrenwerte Männer, alle drei.«
Grottkamp machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mach dir doch nichts vor, Mädchen! Ehrenwerte Männer hätten dich erst nach der Hochzeit mit in ihr Bett genommen. Das weißt du genau«, hielt er der Schankmagd vor. »Du hast einen Platz in dieser Welt beansprucht, der dir nicht zusteht. So ist das! Du warst so versessen darauf, eine Bäuerin zu werden, eine Frau Postinspektor oder die Klumpenwirtin, dass es den Kerlen ein Leichtes war, dich zu ihrer Hure zu machen.«
»Ich habe ihnen geglaubt«, sagte Margarete leise.
»Und warum hast du auch noch mit anderen Kerlen Unzucht getrieben? Mit dem Terfurth zum Beispiel?«, fragte Grottkamp aufgebracht. »Dass der dich nicht heiraten würde, das wusstest du doch wohl. Nein Grete, alle deine Geschichten sind verlogen. Die einzige Wahrheit ist, dass du eine Hure bist.«
Margarete Sander schüttelte den Kopf. »Hubertus Küppken wollte mich heiraten, ganz bestimmt. Aber Julius Terfurth, der hatte was gegen ihn in der Hand. Der Terfurth hätte den Klumpenwirt ins Gefängnis bringen können. Dann hätte er seine Konzession verloren, und alles wäre aus gewesen. Ich bin nur mit dem Terfurth ins Bett gegangen, weil er versprochen hatte, dann würde er schweigen.«
»Was ist das denn nun wieder für eine Geschichte? Am Ende willst du noch behaupten, der Küppken habe es gutgeheißen, dass die Frau, die er heiraten wollte, es in seinem Haus mit einem anderen getrieben hat.«
»Natürlich hat er das! Er hat mich ja sogar darum gebeten. Sonst hätte ich es doch nie getan. Er hat gesagt, es wäre nötig, damit der Terfurth ihn nicht anschwärzt. Nur so könnten wir eine gemeinsame Zukunft haben.«
»Und womit hatte der Terfurth den Klumpenwirt in der Hand?«, fragte Grottkamp nach.
»Das weiß ich nicht«, sagte Margarete kleinlaut.
Ärgerlich schlug Grottkamp mit der Hand auf den Tisch. »So ein Unsinn!«, fauchte er. »Du erzählst eine Lüge nach der
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