Tod an der Ruhr
anderen. Zuerst behauptest du, du hättest den Terfurth gemocht, weil er eine verlorene Seele war, und jetzt ist er auf einmal ein Erpresser gewesen. Nein Grete, ich glaub dir kein Wort mehr. Warum bist du denn im Juni weg aus Sterkrade, wenn der Küppken dich heiraten wollte?«
»Mit dem Terfurth, nun ja, das wollte ich nicht mehr. Ich hatte gedacht, es sollte nur ein einziges Mal sein, oder zweimal vielleicht, als es im April anfing. Aber Küppken wollte, dass ich den Hammerschmied immer wieder mit in meine Kammer nehmen sollte. Ich war enttäuscht von Hubertus Küppken. Ich wollte wissen, ob er es ernst meint mit mir. In Köln habe ich eine Freundin. Ich wollte zu ihr im Juni, für ein, zwei Wochen nur. Sie ist eine, mit der ich über alles reden kann. Die kennt sich aus mit den Männern. Und dann bin ich krank geworden und musste ins Hospital. Das habe ich Ihnen ja erzählt. Und als ich endlich wieder gesund war, bin ich zurückgekommen.«
»Und dann hat der Terfurth dich wieder belästigt, und du hast ihm einen Stein über den Schädel geschlagen«, mutmaßte Grottkamp.
Margarete Sander sah ihn entgeistert an. »Aber das ist nicht wahr! Der Terfurth wusste doch inzwischen, dass ich Küppkens Braut war. Er wollte nichts mehr von mir. Am Schluss wollte er sowieso nichts anderes mehr als saufen, der Herr Hammerschmied. Wahrscheinlich hätte er auch gar nichts anderes mehr gekonnt. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Martin Grottkamp glaubte zu verstehen. Er dachte eine Weile nach. Dann sagte er ärgerlich: »Wenn Julius Terfurth was gegen den Klumpenwirt in der Hand hatte, dann wüsste ich gerne, was das gewesen sein soll.«
Margarete schwieg.
»Sollte an deiner Geschichte was dran sein, dann hätte Küppken immerhin allen Grund gehabt, sich den Terfurth vom Hals zu schaffen«, überlegte Grottkamp.
Ein heftiges Pochen an der Tür ließ ihn und die Schankmagd zusammenschrecken. Noch ehe Grottkamp aufstehen konnte, um nachzusehen, wurde die Tür aufgestoßen, und Gemeindevorsteher Carl Overberg stürmte herein.
»Da sind Sie ja endlich, Mann! Wo waren Sie denn den ganzen Tag? Ich habe Sie überall gesucht«, wetterte er.
»In der Kirche, bei meinem Bruder auf dem Hof und bei der Kräuterfrau Johanna Spieker«, erwiderte Grottkamp, während er sich von seinem Stuhl erhob. Jetzt würde der Herr Vorsteher vermutlich mal wieder anmerken, dass es notwendig sei, in Zukunft auch die Sonntage mit einem Dienstgespräch in seinem Bureau zu beginnen.
Doch Carl Overberg hatte andere Sorgen. Mit einem ärgerlichen Blick streifte er Margarete Sander, die ebenfalls aufgestanden war und höflich knickste.
»Und jetzt haben Sie also Besuch«, sagte er schnippisch zu seinem Polizeidiener.
»Ich hatte der Schankmagd ein paar Fragen zu stellen. Aber unser Gespräch war ohnehin gerade beendet.«
Margarete schien erleichtert, als Grottkamp ihr mit einem Kopfnicken andeutete, dass sie gehen könne. Nach einem weiteren flüchtigen Knicks verließ sie eilig das Haus.
»Also, Grottkamp, ich brauche Sie dringend«, sagte Overberg aufgekratzt. »Die Herren von der Hütte wollen mit Ihnen reden, wegen Mister Banfield.«
»Mit mir?«, fragte Grottkamp verblüfft. »Wegen Mister Banfield?«
»Jetzt tun Sie doch nicht so begriffsstutzig, Mann! Die Herren interessieren sich sehr dafür, was Sie über Banfield in Erfahrung gebracht haben.«
»Welche Herren denn?«
»Die Herren Haniel, Jacobi und Lueg. Die wollen Sie unbedingt sprechen. Ich soll Sie heute Abend mitbringen ins Kasino der Gesellschaft Erholung.«
Grottkamp starrte seinen Vorgesetzten fassungslos an.
»Also kommen Sie, Mann! Lassen sie uns gehen!«
Martin Grottkamp fühlte sich so unwohl in seiner Haut wie selten. Mit beiden Händen hielt er seine Dienstkappe an die Brust gedrückt und stand unsicher vor dem Vitrinenschrank im Saal Sprüth, dem neuen Kasino der Gesellschaft Erholung. Er hatte nicht geglaubt, dass er diese Räumlichkeiten jemals betreten würde.
Overbergs Sorge, die hohen Herren warteten vielleicht schon auf ihn und seinen Polizeidiener, war unbegründet. Nur ein paar Ingenieure in dunklen Anzügen standen herum, als er mit Grottkamp im Schlepptau hereingestürmt kam.
Grottkamp hatte den einen oder anderen der anwesenden Herren schon mal aus der Ferne gesehen. Das einzige ihm wirklich bekannte Gesicht gehörte dem Apotheker, der auf einem Kanapee saß und in einer Zeitschrift las. Carl Overberg zeigte ihm so stolz die neuen Räumlichkeiten, als
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