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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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geglaubt.«
    Möllenbeck grinste. »Das wurde unter Soldaten gerne erzählt, dass einem der Penis abfällt, wenn man sich die Franzosenkrankheit gefangen hat«, erinnerte er sich. »Ich hab Rekruten erlebt, die ganz überrascht waren, dass sie bei der Musterung nicht von einer Bank springen mussten. Aber das ist Quatsch.«
    »Warum nennt man die Syphilis eigentlich Franzosenkrankheit?«, fragte Grottkamp.
    »Weil französische Söldner vor ein paar hundert Jahren die Seuche bei uns verbreitet haben«, antwortete der Heildiener. »Bei den Medizinern heißt sie übrigens Lues.«
    »Overberg hat sie heute Morgen Lustseuche genannt«, sagte Grottkamp.
    »Das ist auch nicht verkehrt. Die Übertragung der Krankheit findet nun mal gewöhnlich durch den Beischlaf statt. Ein braver Mann, der seiner Ehegattin die Treue hält, wird kaum an der Syphilis erkranken.«
    »Bricht die Krankheit eigentlich gleich nach der Ansteckung aus?«, wollte Grottkamp wissen.
    »Nein, es dauert etwa vier Wochen, manchmal zwei Wochen weniger, manchmal zwei Wochen mehr. Dann tritt ein kleines Geschwür am Geschlechtsorgan auf. Das heilt nach etwa vierzehn Tagen wieder ab. Danach sind die Kranken eine Weile beschwerdefrei, bis das sekundäre Stadium der Lues beginnt. Dann treten sehr verschiedenartige Hautausschläge auf. Das können Flecken, Schuppenwucherungen, Knötchen oder nässende Entzündungen sein. Die bilden sich im Regelfall nach einiger Zeit wieder zurück oder zerfallen. Manchmal hinterlassen sie Narben. Viele Erkrankte können dann noch einmal jahrelang ohne Beschwerden leben. Doch nach und nach werden immer mehr Organe befallen. Im Herzen können Geschwülste wachsen, im Darm Geschwüre entstehen, in der Leber Narben, im Gehirn und im Rückenmark gummöse Knoten, die zu Lähmungen führen, und in den Lungen kann die Lues die Schwindsucht hervorrufen. Die meisten Syphiliskranken gehen irgendwann an ihren inneren Erkrankungen elendig zugrunde.«
    »Das sekundäre Stadium, wie lange dauert das?«, fragte Grottkamp.
    »Schwer zu sagen«, meinte Möllenbeck. »Es beginnt manchmal zwei Monate nach der Ansteckung, manchmal aber auch vier oder fünf. Manchmal dauert es Wochen, manchmal Monate. Das ist genauso unterschiedlich wie die Erscheinungsformen der Krankheit.«
    »Sieht man es den Menschen denn in dieser Zeit an, dass sie die Syphilis haben?«
    »Nach meinen Erfahrungen aus dem Lazarett sind die Hautveränderungen im sekundären Stadium dafür zu verschiedenartig«, erklärte Möllenbeck. »Zudem sind oft nur Körperstellen befallen, die von der Kleidung bedeckt sind. Viele Erscheinungen kann man auch für andere Hautkrankheiten halten, zum Beispiel für Furunkeln und Warzen oder für eine Schuppenflechte. Nein, wenn man keinen geübten Blick hat, dann sieht man den meisten Erkrankten die Lues wohl nicht an.«
    »Margarete Sander hatte die Syphilis«, sagte Martin Grottkamp müde. »Sie ist in Köln im Hospital gewesen und als geheilt entlassen worden.«
    Möllenbeck seufzte. »Mit der Heilung ist das so eine Sache. Ob eine Behandlung erfolgreich war, stellt sich oft erst nach Jahren heraus.«
    »Ich möchte wissen, wann und wo die Sander sich angesteckt haben könnte«, erklärte Grottkamp dem Heildiener.
    »Sie war Terfurths Geliebte, nicht wahr?«
    »Sie war seine Hure. Sie gibt zu, dass sie zwischen April und Juni immer mal wieder mit dem Hammerschmied den Beischlaf vollzogen hat.«
    »Also, als wir den Terfurth untersucht haben vorige Woche, seinen Leichnam meine ich, da sind mir Narben an seinem Körper aufgefallen«, erinnerte Möllenbeck sich. »Die könnten vom sekundären Stadium der Lues zurückgeblieben sein. Aber ich bin mir nicht sicher.«
    »Warum hast du mir davon denn nichts gesagt?«, fragte Grottkamp ärgerlich.
    »Weil wir nach einer Verletzung gesucht haben und nicht nach irgendwelchen Narben«, redete Möllenbeck sich raus. »Außerdem hab ich mir gedacht, die Leute werden sich schon genug das Maul über den Terfurth zerreißen. Da sollte ich ihm nicht auch noch die Lustseuche anhängen. Allein schon wegen der Elisabeth. Aber wenn ich mir sicher gewesen wäre, hätte ich es dir natürlich gesagt.«
    »Ich habe von irgendwelchen Narben an seinem Körper nichts bemerkt«, wandte Grottkamp ein.
    »Du hast ja auch krampfhaft versucht, den Toten nicht anzusehen«, erinnerte der Heildiener sich.
    Kaspar Ostrogge brachte seinen Freunden frisches Bier an den Tisch.
    »Ach, Herrje«, stöhnte Grottkamp. »Ich habe

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