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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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jetzt vielleicht anfangen zu spielen?«, drängte Kerseboom.
    »Wir haben ja noch gar keine Karten«, stellte Ostrogge fest und stand wieder auf.
    »Sag mal, wie geht es eigentlich dem Gendarm Schmitting?«, fragte Grottkamp den Heildiener.
    »Bestens«, erwiderte Möllenbeck. »Der ist wieder zu Hause. Heute habe ich seine Frau getroffen. Sie sagt, der Herr Gendarm sei schon ganz begierig darauf, seinen Uniformrock wieder anzuziehen. Aber er muss sich noch ein Weilchen schonen, der Schmitting.«
    Die Miene des Heildieners verdüsterte sich. »Leider haben nicht alle so viel Glück wie der Gendarm«, stellte er betrübt fest. »Zehn Tote hat es jetzt schon gegeben. Sieben von ihnen sind mir in der Baracke unter den Händen weggestorben. Zurzeit sind noch zwei Kranke in kritischem Zustand.«
    »Vor ein paar Tagen hast du Dechant Witte mal nach einem Cholera-Kaplan gefragt. Als ich mir im Pfarrhausgarten die Rosen angeguckt hab, war das«, erinnerte Grottkamp sich. »Weißt du eigentlich inzwischen mehr über den Mann?«
    Möllenbeck nickte. »Dieser Sebastian Kneipp ist natürlich längst kein Kaplan mehr, sondern Pfarrer. Dechant Witte hat in einem Journal einen Artikel über ihn gelesen. Daher weiß ich jetzt, dass er Beichtvater am Dominikanerinnenkloster in Wörishofen ist. Ich hab ihm einen Brief geschrieben.«
    »Wo bleibt denn nur der Kaspar mit den Karten?«, murrte Arnold Kerseboom.
    »Denkst du, dass dieser Pfarrer Kneipp dir antworten wird?«, fragte Grottkamp den Heildiener.
    Jacob Möllenbeck zuckte mit den Achseln. »Ich habe ihm unsere Situation hier geschildert und ihn nach den Heilmethoden gefragt, mit denen er als junger Kaplan so erfolgreich die Cholera bekämpft hat. Ich rechne schon mit einer Antwort, aber ich fürchte, dass sie zu spät kommen wird.«
    Kaspar Ostrogge ließ ein Kartenspiel auf den Tisch fallen. »So Männer, jetzt können wir endlich loslegen«, sagte er und setzte sich.

    Martin Grottkamp hatte den ganzen Abend über schlechte Karten bekommen. Nur ein einziges Solo hatte er auf der Hand gehabt, und nicht ein Mal hatte er eine Großfrage reizen können. Und wenn er doch mal ein Spiel bekommen hatte, dann war das Daus, das er gerufen hatte, in einer Hand gewesen, die noch schwächer war als seine eigene.
    Als gewiefter Kartenspieler wusste er, dass es nun mal solche Abende gab, an denen einem nichts andres übrig blieb, als sich über die Launenhaftigkeit des Glücks zu wundern. Ohne zu zetern und zu fluchen, hatte er ein verlorenes Spiel nach dem anderen durchgestanden, und nicht mal Arnold Kersebooms Hohn hatte ihn aus der Ruhe bringen können. »Martin, mach dir nichts draus«, hatte der Freund gesagt, »das ist gut für die Demut.« Grottkamp hatte lächelnd genickt und damit dem Spötter den Wind aus den Segeln genommen.
    Vielleicht lag der Sinn eines solch verkorksten Spielabends ja in der Tat darin, die Tugend der Demut zu üben, hatte er bei sich gedacht. Und so war es ihm gelungen, bis zum Schluss seine miserablen Kartenblätter mit heiterer Gelassenheit anzunehmen und den Verlust seiner Pfennige geduldig zu ertragen.
    Inzwischen war Kerseboom, dessen Schicht auf der Hütte jeden Morgen um sechs begann, längst nach Hause gegangen. Kaspar Ostrogge hatte seine Tochter Katharina ins Bett geschickt und stand jetzt wieder selbst am Bierfass und zapfte.
    »Am Tag zu schlafen und am Abend einen Kaffee zu trinken, ist wohl doch nicht das Richtige«, stellte Jacob Möllenbeck fest, der noch mit Grottkamp zusammen am Tisch saß. »Jetzt fühle ich mich putzmunter und werde wahrscheinlich die halbe Nacht wach liegen.«
    »Wenn du so munter bist«, entgegnete Grottkamp gähnend, »dann kannst du mir ja noch einen kleinen Vortrag halten.«
    »Einen Vortrag? Worüber denn?«
    »Über die Syphilis zum Beispiel.«
    »Was soll das? Willst du mich veralbern? Du kennst doch die Franzosenkrankheit. Schließlich warst du Soldat.«
    Grottkamp schüttelte müde den Kopf. »Nein, ich will dich nicht veralbern«, sagte er. »Von meinem Regiment bin ich ja nun doch schon ein paar Jährchen weg. Und so viel hab ich damals auch nicht über die Krankheit erfahren. Ich war schließlich kein Lazarettgehilfe. Auf unserer Stube haben sie mal erzählt, der Regimentsmedikus ließe die Kranken nackt von einer Bank springen. So könne er feststellen, wie weit die Syphilis schon fortgeschritten ist. Im schlimmsten Fall würde den Kameraden beim Aufsprung das Glied abfallen. Aber das hab ich nie so recht

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