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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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da schon in einer Eisenhütte gearbeitet. Es gab einige in der Gegend, aus der er kommt. Aber die konnten irgendwann nicht mehr mithalten. In der Eifel liegen nur Steine in der Erde, keine Kohlen. Also gibt’s auch keinen Koks. Nur Holzkohle. Außerdem sind die Transportwege schlecht. Nun ja, und als die Hütte vom Donatus dichtgemacht hat, da hat er sich nach neuer Arbeit umgesehen und ist hier gelandet.«
    »Warum meinst du, dass er ein feiner Kerl ist?«
    »Der hat nichts Falsches, der Donatus Jentjen. Ist keiner von den Saufköppen und Raufbolden. In die Gemeinschaftsunterkunft zu den jungen Hüttenarbeitern wollte er nicht. Jeden Abend Branntwein und sonntags mit dem Zug nach Duisburg zu den Huren, das ist nichts für den Donatus. Da hat er sich lieber privat was gesucht und ein Bett bei den Terfurths gefunden.«
    »Und wie ist er mit Julius Terfurth zurechtgekommen?«
    Arnold Kerseboom zog die Schulter hoch. »Keine Ahnung. Also von den Terfurths hat er nie was erzählt.«
    »Ihn, den Julius, hast du nicht gekannt?«, fragte Martin Grottkamp den Freund.
    »Doch schon. So wie ein Former einen Hammerschmied eben kennt. Wenn der eine in der Gießerei arbeitet und der andere in der Hammerschmiede, dann hat man eigentlich nichts miteinander zu tun. Aber ich weiß, dass der Terfurth ein absoluter Spitzenkönner war, und ein Spitzenverdiener wohl auch. Und ab und zu, wenn wir uns mal über den Weg gelaufen sind, dann haben wir auch ein paar Worte miteinander gewechselt, über die Arbeit und über die Hütte. Was man eben so redet.«
    »Ein Spitzenverdiener also«, wiederholte Grottkamp und dachte an Terfurths Taschenuhr und daran, wie gut der Tote gekleidet war. »Und was hat so einer in der Lohntüte?«
    »Nun«, überlegte Kerseboom, »ein Hammerschmied von seiner Klasse, der dürfte bestimmt so sieben bis acht Taler die Woche verdient haben.«
    »Sieben bis acht Taler?« Grottkamp pfiff anerkennend durch die Zähne. Dass ein qualifizierter Facharbeiter auf der Hütte mehr verdiente als der Polizeidiener von Sterkrade, das hatte er schon angenommen. Aber dreihundertfünfzig bis vierhundert Taler im Jahr waren verdammt viel Geld.
    Martin Grottkamp erhielt neben seinen Bezügen von der Bürgermeisterei Holten eine persönliche Zuwendung von vierzig Talern, die der Sterkrader Gemeinderat ihm alljährlich aufs Neue für seine Dienstwohnung bewilligte. Hinzu kamen Remunerationen für Arbeiten, die er zusätzlich zu seinen Dienstpflichten übernahm, zum Beispiel für die Feuervisitationen, die er regelmäßig zusammen mit Gendarm Schmitting durchführte. Alles in allem kam er auf gut dreihundert Taler im Jahr, und das war entschieden mehr als Grottkamp zum Leben brauchte.
    »Nun denk bloß nicht, dass wir alle so gut verdienen auf der Hütte«, sagte Arnold Kerseboom. »Es gibt auch Leute, die mit Mühe ihre hundertfünfzig Taler im Jahr zusammenkriegen. Zum Beispiel unsere Sandmännchen. Die mischen den Formsand. Unter Anleitung natürlich. Und dann rennen sie den ganzen Tag mit der Schubkarre hin und her, damit jeder Former jederzeit genug Sand in seiner Ecke hat. Eine Sauarbeit, kann ich dir sagen. Genau wie die unserer Gussputzer. Dreckige Knochenarbeit, die schlecht bezahlt wird. Aber so ist das halt. Für die harten körperlichen Arbeiten brauchst du meist keine besonderen Kenntnisse. Wer die macht, der ist austauschbar. Wenn einer nicht mehr kann, dann macht’s eben ein anderer. Im Werk Oberhausen, bei der Eisengewinnung, da ist das noch viel schlimmer als hier. An den Hochöfen, in der Kokerei und auch im Walzwerk ist noch viel mehr schlecht bezahlte Knochenarbeit gefragt als bei uns in Sterkrade. In unseren Werkstätten gibt es viele qualifizierte Leute. Dreher, Former, Schmiede, Schreiner, das sind alles Männer mit guten Kenntnissen und mit gutem Geld. Also, wenn man sich mal umhört, wie die Arbeitsbedingungen in den Hütten und auf den Zechen ringsum an Ruhr und Emscher sind, dann muss man sagen, dass es uns Sterkradern verdammt gut geht.«
    »Ist schon eine verrückte Welt«, murmelte Martin Grottkamp. »Wer am meisten malocht, der verdient am wenigsten.«
    Kerseboom fuhr sich lachend mit der Hand durchs kurz gestutzte, leicht ergraute Haar. Dann zog er kräftig an seiner Tabakspfeife. An seinem dichten, dunklen Schnauzbart vorbei stiegen ein paar Rauchwölkchen in die Luft.
    »Mensch, Martin«, sagte er kopfschüttelnd. »Warum siehst du immer alles so finster, was mit der modernen Industrie

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