Tod an der Ruhr
zurück. Terfurth hatte mehr als doppelt so lange gebraucht.
Seine Trunkenheit schien dafür eine plausible Erklärung zu sein. Aber es war auch möglich, dass Julius Terfurth auf seinem letzten Weg durch irgendwas oder durch irgendwen aufgehalten worden war.
Dass sich jemand finden ließ, der den Hammerschmied am späten Sonntagabend auf den Straßen gesehen hatte, war unwahrscheinlich. Um diese Zeit lagen die Sterkrader in ihren Betten, denn für sie begann am frühen Montagmorgen wieder eine harte Arbeitswoche.
Während Martin Grottkamp immer noch auf seine Bratkartoffeln wartete und allmählich ungeduldig wurde, beobachtete er den Klumpenwirt, der mit verschränkten Armen hinter seinem Schanktisch stand und neugierig dem Gespräch der beiden Fuhrleute lauschte.
Grottkamp wunderte sich nicht darüber, dass Küppken ihm so bereitwillig Auskunft über Terfurths letzte Stunden gegeben hatte. Er vermutete, dass der Wirt sich gerade wegen seiner Abneigung gegen ihn und seine Arbeit alle Mühe gegeben hatte, seine polizeiliche Neugier zu befriedigen. Küppken wollte ihm auf keinen Fall einen Anlass geben, weitere Nachforschungen in seinem Etablissement anzustellen.
Ein schräger Vogel war er ohne Frage, dieser Hubertus Küppken. Mit Mitte Zwanzig hatte er die beinahe doppelt so alte, kinderlose Witwe Justine Huhn geehelicht, die seit dem frühen Tod ihres Gatten alleinige Inhaberin des Gasthauses »Zum dicken Klumpen« war. Küppken, der vor der Eheschließung in dem Ruf gestanden hatte, ein Herumtreiber und Habenichts zu sein, spielte vom ersten Tag an die Rolle des Klumpenwirtes so überzeugend, als hätte der Gasthof nie jemand anderem gehört als ihm.
Für Geld tut dieser Küppken alles, hatte es damals in Sterkrade geheißen, und Martin Grottkamp war überzeugt davon, dass es in der Tat nicht allzu viel gab, was Hubertus Küppken für ein paar Taler nicht tun würde.
Das Wirtshaus war schon zu der Zeit, als es den Bahnhof noch nicht gab, ein beliebter Treffpunkt der Fuhrleute gewesen. Wenn sie auf der Fahrt vom Rhein in das Westfälische durch Sterkrade kamen, lag der Gasthof an ihrem Weg. Im vergangenen Jahrzehnt hatten der Bahnhof und die zunehmende Geschäftigkeit rings um die Hütte dem Lokal einen weiteren kräftigen Aufschwung beschert und die Wirtsleute zu umfangreichen An- und Ausbaumaßnahmen veranlasst. Über sieben Gästekammern verfügte das Wirtshaus heute, über einen Pferdestall und einen umschlossenen Hof, in dem die Fuhrleute ihre beladenen Wagen über Nacht stehen lassen konnten, ohne den Verlust der Ladung befürchten zu müssen.
Alleiniger Besitzer des Gasthauses »Zum dicken Klumpen« und Inhaber der Konzession für die Beherbergung von Reisenden und den Ausschank von Bier und Branntwein war seit dem Tod von Justine Huhn ihr Witwer Hubertus Küppken.
»Bitte schön, Herr Polizeisergeant, die Bratkartoffeln mit doppelter Portion Speck.« Das Mädchen, dessen freundliche Stimme Martin Grottkamp aus seinen Gedanken riss, stellte eine braune Steinzeugschüssel auf den Tisch, deren Inhalt vielversprechend aussah und ebenso duftete.
Erst als sie die zerkratzte Zinkgabel neben die Schüssel legte, blickte Grottkamp zu der jungen Frau auf, die ihn bediente.
»Grete Sander!«, sagte er verblüfft.
Die Magd lächelte schüchtern.
»Seit wann bis du denn wieder in Sterkrade?«
»Seit ein paar Tagen, Herr Polizeisergeant«, antwortete die junge Frau verlegen. Ihr schwarzes, langes Haar hatte sie ungeflochten hochgesteckt. Ihre dunklen Augen hielten dem ebenso erstaunten wie strengen Blick Grottkamps nicht lange stand.
Sie senkte den Kopf. Ihr schmales Gesicht mit der etwas zu lang geratenen Nase sah noch hagerer aus, als Martin Grottkamp es in Erinnerung hatte. Über Rock und Bluse trug sie eine blaue Schürze von derselben Art, wie der Klumpenwirt sie vorgebunden hatte.
»Hat Küppken dich wieder als Schankmagd in seinen Dienst genommen?«
Die junge Frau nickte.
Als Grottkamp ein paar Augenblicke nachdenklich geschwiegen hatte, sagte Grete Sander leise: »Ihr Essen wird kalt, Herr Sergeant.«
»Denkst du an meinen Kaffee?«, fragte Grottkamp, während er nach der Gabel griff.
»Den bringe ich Ihnen gleich«, sagte die Magd, deutete einen Knicks an und verschwand eilig in der Küche.
Margarete Sander!
Seitdem Martin Grottkamp Polizeidiener in Sterkrade war, hatte er immer wieder mit ihr zu tun gehabt.
Zum ersten Mal hatte er Ende 1861 ihren Namen gehört. Damals ging das Gerücht,
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