Tod an der Ruhr
zusammenhängt? Wer am meisten kann, der verdient auch am meisten. So sehe ich das.«
Die beiden Freunde schwiegen eine Weile. Kaspar Ostrogge kam zu ihnen an den Tisch und setzte sich. »Was seid Ihr denn so wortkarg?«, erkundigte er sich.
Als Antwort gab es ein Schulterzucken von Martin Grottkamp und ein freundliches Grinsen von Arnold Kerseboom.
»Was ist mit Möllenbeck?«, fragte der Wirt.
»Ich denke, dass er noch kommt«, antwortete Grottkamp. »Er wollte es auf jeden Fall versuchen.«
»Dann trinken wir jetzt erst mal einen«, schlug Kaspar Ostrogge vor. »Ich spendiere eine Runde.«
Das tat er mit Vorliebe, der begüterte Wirt der Marktschänke. In dem Quartett, das sich seit Jahren regelmäßig zum Soloabend traf, hatte jeder sein gutes Auskommen, aber Kaspar Ostrogge hatte eben doch noch ein bisschen mehr als seine Freunde, und er zeigte sich gern spendabel.
Nachdem die vier Sterkrader Jungen vor Jahrzehnten gemeinsam die Schulbank gedrückt hatten, hatte es zunächst einmal jeden von ihnen eine Zeitlang in die Fremde verschlagen. Möllenbeck und Grottkamp hatten sich als Freiwillige zum preußischen Militär verpflichtet, jedoch beide nicht, weil sie allzu sehr fürs Militärische waren.
Grottkamp war neun Jahre beim ersten Rheinischen Infanterieregiment geblieben, war Unteroffizier geworden, hatte Rekruten geschliffen und war am Ende mit dem begehrten Zivilversorgungsschein entlassen worden. Eine andere Perspektive hatte er für seine Zukunft nicht gesehen, nachdem sein Bruder Paul der Bauer auf dem Grottkamphof geworden war.
Möllenbeck hatte sich dem Sanitätsdienst verschrieben, um sich einmal als Heildiener in seinem Heimatort niederlassen zu können.
Auch Ostrogge und Kerseboom hatten gedient, aber beide waren froh, als sie nach dem zweijährigen Militärdienst in ihre Berufe zurückkehren konnten. Arnold Kerseboom hatte ursprünglich das Handwerk des Glockengießers erlernt, war nach seiner Soldatenzeit noch eine Weile als Geselle auf Wanderschaft gegangen, aber schon Anfang der fünfziger Jahre endgültig in sein Heimatdorf zurückgekommen. Er war der einzige der vier alten Schulfreunde, der bei der Gutehoffnungshütte gelandet war, wo er heute als Vorarbeiter einer Formerkolonne in der Eisengießerei arbeitete und gut verdiente.
Die meisten Taler hatte aber fraglos Kaspar Ostrogge in seinem Säckel. Der hatte nach dem Militärdienst und dem frühen Tod seines Vaters die Marktschänke übernommen, eines der ältesten Gasthäuser Sterkrades. Ein angesehener Gastwirt, zudem Braumeister und Mitglied des Gemeinderates war er heute.
Seine zunehmende Körperfülle hatte in den vergangenen Jahren die Freunde gelegentlich zu Hänseleien veranlasst. Doch Ostrogge betrachtete seinen Wanst als deutliches Zeichen seines Wohlstandes und trug ihn voller Stolz vor sich her.
Kaspar Ostrogge hatte sich als Erster der vier Freunde vermählt. Seine Älteste, die Katharina, war heute schon beinahe eine junge Frau.
Außer dem Wirt hatte nur Arnold Kerseboom eine Familie.
Martin Grottkamp hatte nie mehr um eine andere geworben, nachdem Liesken den Hammerschmied Julius Terfurth geheiratet hatte.
Jacob Möllenbeck hatte als Soldat das eine oder andere Liebchen gehabt, aber wenn’s ans Heiraten gehen sollte, dann war es ihm doch immer wieder so vorgekommen, als sei die Vermählung mit einer Frau so etwas wie ein Verrat an der Heilkunst.
Katharina hatte drei Krüge Bier an den Tisch gebracht, und Kaspar Ostrogge prostete seinen Freunden zu: »Dann lasst es euch mal schmecken, Männer! Feinstes Untergäriges. So was ist der Martin gar nicht mehr gewohnt. Der Herr Polizeisergeant verkehrt ja neuerdings beim Klumpenwirt.«
»Woher weißt du denn das schon wieder?«, knurrte Grottkamp.
»Manchmal ist Sterkrade eben doch noch ein Dorf«, stellte Arnold Kerseboom lachend fest.
»Nichts für ungut, Martin. Ist schon klar, dass dein Dienst dich ab und zu auch in die Niederungen des Gastgewerbes zwingt«, meinte Ostrogge.
»Nicht nur mich«, erklärte Grottkamp gereizt. »Das Verrufene scheint manche Herren durchaus anzuziehen. Den Kolonialwarenhändler Krumpen habe ich heute im Gasthaus ›Zum dicken Klumpen‹ getroffen, und sogar der Lehrer Weyer verkehrt gelegentlich dort.«
»Ich kehre auch ab und zu beim Klumpenwirt ein«, gab Arnold Kerseboom zu. »Es ist nun mal ganz interessant, dann und wann ein paar neue Gesichter zu sehen und die eine oder andere neue Geschichte zu hören. Und das Publikum im
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