Tod an der Ruhr
dicken Klumpen, na ja, das mag nicht immer das feinste sein, aber recht bunt ist es allemal.«
»Ist ja in Ordnung, Männer. Solange mein Bier euch immer wieder zurück in die Marktschänke lockt, dürft Ihr ruhig hin und wieder mal fremdgehen«, sagte Kaspar Ostrogge beschwichtigend.
Sein Bier war ohne Frage das beste in Sterkrade. Anfang der Fünfziger war der Braumeister einer der Ersten in der Gegend gewesen, der sich an der Herstellung von untergärigem Bier versucht hatte. Inzwischen hatte er es darin zur Meisterschaft gebracht. Sein Pils war herb, ohne bitter zu sein, und, wenn er oder Katharina es zapften, verfügte es über eine feste, beinahe sahnige Schaumkrone.
»Wisst ihr eigentlich, in welcher preußischen Provinz es die meisten Brauereien gibt?«, fragte der Wirt seine Freunde.
»Nun, ich nehme mal an, in der Rheinprovinz«, antwortete Kerseboom.
»Richtig«, bestätigte Ostrogge lachend. »Und wo gibt es in der Rheinprovinz die meisten?«
»In Köln«, vermutete Grottkamp.
»Falsch!« Wieder lachte Ostrogge. »Der Kreis Duisburg ist Spitzenreiter, noch vor der Stadt Köln. Einhundertneunundvierzig Brauereien haben wir hier. Die meisten sind natürlich kleine Braustuben, die zu einem Wirtshaus gehören oder von einem Bauern nebenher betrieben werden. Aber immerhin. Brauerei ist Brauerei, und mehr als im Kreis Duisburg gibt es nirgendwo.«
»Also wird wohl auch nirgendwo so viel getrunken wie in unserer Gegend«, meinte Grottkamp.
»Klar«, entgegnete Kerseboom, »wo am meisten gearbeitet wird, wird auch am meisten getrunken.«
»Na, Gott sei Dank«, sagte Ostrogge lachend und sah sich vergnügt in seinem Schankraum um, in dem auch an diesem Abend fast alle Tische besetzt waren.
Kleiner war die Gaststube als die des Klumpenwirtes und gemütlicher. Auf dem Schanktisch standen neben dem Bierfass ein Weinfässchen und einige Flaschen mit Likören für die Damen.
Ein mächtiger Kachelofen sorgte auch an kalten Winterabenden für angenehme Wärme. An den weißen Wänden oberhalb der brusthohen Holzvertäfelung hingen in Öl gemalte niederrheinische Landschaftsbilder, und die Tische waren stets blank gescheuert.
»Da kommt er ja endlich, der Jacob«, sagte Kaspar Ostrogge, der die Eingangstür der Gaststube im Auge hatte.
Jacob Möllenbeck hängte seinen Rock an den Kleiderständer und trat eilig an den Tisch seiner Freunde. »Entschuldigt meine Verspätung! Ich war noch zur Desinfektion bei den Schmelzers«, erklärte er, während er sich setzte.
»Zur Desinfektion? Was heißt das?«, fragte Arnold Kerseboom.
»Chlordämpfe in den Schlafkammern und eine Bromwaschung des Abortes, das Übliche zur Vernichtung gesundheitsschädigender Stoffe eben. Eigentlich war ich schon vor einer Stunde damit fertig, aber ich hatte das Gefühl, dass die armen Schmelzers noch ein bisschen Trost und Zuspruch brauchten.«
»So kam es mir heute Nachmittag auch vor«, bestätigte Grottkamp. »Die waren ziemlich am Ende, die armen Leutchen.«
»Du warst heute auch bei den Schmelzers? Davon haben sie gar nichts gesagt.«
»Ich war bei den Familien aller Kranken. Habe sie noch mal auf die nötigen Vorsichtsmaßnahmen hingewiesen und so weiter«, erklärte Grottkamp.
»Also Männer, jetzt lasst uns endlich Karten spielen!«, forderte Kaspar Ostrogge seine Freunde auf. Und die ließen sich nicht lange bitten.
Nach ein paar Runden, in denen Grottkamp schon zwei Soli auf der Hand gehabt hatte, stöhnte Kerseboom: »Das ist ja kaum zu glauben, was der Martin heute Abend für ein Glück hat.«
»Was heißt hier Glück? Wer viel kann, der verdient auch viel. War doch dein Reden. Beim Kartenspiel ist das gewiss so.«
»So ein Quatsch«, grummelte Jacob Möllenbeck, und auch Ostrogge teilte nicht Grottkamps Meinung: »Mensch, Martin, du hattest den Alten, die Baste, vier Karten von Eicheln und noch die Spitze dabei. Das ist wirklich keine hohe Spielkunst, damit ein Solo zu gewinnen. Mit dem Blatt hätte doch sogar meine Oma Wäsche gemacht.«
»Was ereifert ihr euch denn so? Es trifft doch keine Armen«, sagte Martin Grottkamp grinsend.
Das Glück blieb ihm an diesem Abend hold, während Jacob Möllenbeck häufiger verlor als gewöhnlich.
Irgendwann schimpfte Arnold Kerseboom mit ihm: »Was rufst du dir denn das Daus von einer Farbe, die du selbst nicht hast? Und dann stichst du deinen eigenen Mann ab. So ein Blödsinn! Warum hast du nicht das Daus von Schellen gerufen?«
»Wir haben doch unsere fünf Stiche«,
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