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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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halten konnte. »Wollen Sie seine Hose anzünden?«
    »Nein«, erwiderte Gowers. »Ich denke, ich werde ihm zufällig an Deck begegnen und einfach sagen: All in the golden afternoon/Full leisurely we glide… « 9
    Van Helmont bedachte ihn wieder mit einem Blick, den man zweifelnd oder aber medizinisch interessiert nennen konnte, und sagte nach einer Weile: »Vielleicht macht er Ihnen ja daraufhin einen Antrag. Dann könnte Eden der Brautführer sein.«
    Nun war es an Gowers, seinen Ärger offen zu zeigen. »Ihre Bemerkungen werden allmählich böse, Doc!«
    »So?«, sagte der Arzt. »Ich gebe mir ja auch alle Mühe.«

73.
    »Mrs. Williams?« Es war Ingenieur Nelson, der sie ins Büro des Reviersteigers geführt hatte. »Darf ich Ihnen Mr. Hollister vorstellen, Mr. Burdette, Mr. Charlton.«
    Jane ärgerte sich, dass sie den Grubenherren in diesem Zustand vorgeführt wurde, direkt aus dem Berg heraus, zu verdreckt, um ihnen die Hand hinzuhalten. Sie kam sich schmutzig und fehl am Platz vor, wie eine Bettlerin im Herrenhaus, und genau das war auch die Absicht der Herren gewesen, als sie sie rufen ließen.
    Es wunderte eigentlich nur den Ingenieur. Er hatte den Minenbesitzern gleich nach Johns Tod den Vorschlag gemacht, Jane, Mrs. Williams, könnte die Kinder der Bergleute unterrichten, die jüngeren sowieso und die älteren nach Schichtende, aber er hatte nicht einmal eine Antwort erhalten. Erst als er insistierte, dass eine bessere Ausbildung, vor allem im Rechnen, letztlich auch bessere Ergebnisse in der Ausbeutung der Gruben herbeiführen könnte, neue Ideen, wer weiß, vielleicht sogar Erfindungen, hatte man ihm bedeutet, dass seine Aufgabe das Abteufen neuer Schächte sei – und nichts weiter.
    Deshalb war er einigermaßen verblüfft, als ihn jetzt, drei Jahre später, Burdette auf ebendiesen Gedanken angesprochen hatte. Diese Kerle haben schon ein verdammt gutes Gedächtnis, dachte er. Und es stimmte. Die Grubenherren vergaßen nie etwas. Niemandem.
    Diese Männer waren keine Unmenschen, nicht die Monster, als die eine andere Zeit sie hinstellte. Aber sie konnten rechnen. Natürlich machte es ihnen keinen Spaß, sechsjährige Kinder in die Minen zu schicken, aber jede andere Lösung – Galloways, Ponys oder erwachsene Menschen – hätte bedeutet, dass man auch die Höhe der Nebenstrecken um mindestens einen Meter vergrößern musste. So hohe Strecken hätten aber einen verstärkten Ausbau nach sich gezogen, Arbeitskräfte gebunden, Zeit gekostet – und das alles, ohne dass sich der Abbau vor Ort dadurch erhöht hätte.
    Nein, die Kinder waren im Verhältnis von Preis zu Leistung ganz einfach billiger. Es war billiger, pro Jahr und Grube fünf bis zehn Menschen durch Schlagwetterexplosionen zu verlieren als auch nur einen einzigen Wetterschacht niederzubringen.
    Das war keine Bosheit. Das war Ökonomie. Und letztlich: Wer zwang denn die Leute, Frauen und Kinder, in den Minen
zu arbeiten? Niemand. Wer arbeiten wollte, für den fand sich Arbeit. Wer gehen wollte, den hielt man nicht. Es gab genug Menschen für den Berg. Mehr, als man brauchte. Und natürlich wirkte sich das auf die Löhne aus. Warum einem Mann einen Shilling zahlen, wenn ein anderer die Arbeit für einen halben tat?
    So war alles nur eine große Rechnung, die am Ende aufgehen musste, manchmal sehr einfach, manchmal etwas komplizierter, mit einigen Unbekannten. Jane Williams war eine solche Unbekannte. Man wusste, dass sie Informationen sammelte, über die Arbeitsbedingungen in den Gruben am Tyne. Aber warum tat sie das?
    Sie gehörte nicht zu den Unionisten, man kannte die Unionisten, beobachtete sie. Einige warf man hinaus, mit anderen arbeitete man zusammen, um das Ganze unter Kontrolle zu halten. Denn Entwicklungen, die man nicht verhindern kann, sollte man steuern können. Und tatsächlich war der erste Hinweis auf Jane Williams aus den Kreisen der Union gekommen.
    Als sie vor ihnen stand, da bewegte diese gut gekleideten, satten, ruhigen, kühl kalkulierenden Grubenherren nur eine Frage: Welchen Einfluss kann dieses schmutzige kleine Wesen mit der riesigen Nase und seinem verdreckten Balg an der Hand auf unsere Bilanzen haben?
    Sie waren gebildete Männer. Sie wussten, dass in der Geschichte manchmal die unbedeutendsten, die lächerlichsten Ursachen ungeahnte Wirkungen entfalten konnten. War Jane Williams so eine Ursache? Konnte diese winzige Zahl, weit hinter jedem Komma, ihre Rechnungen verfälschen? Sollte man Jane Williams

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