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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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verhindern oder steuern?
    Mit dem Vorschlag dieses sentimentalen Ingenieurs ließe sich glücklicherweise beides tun, je nach Bedarf. Also machten
die Gentlemen ihr das Angebot, von dem sie geträumt hatte, seit sie ihr Elternhaus verließ, um mit John zu gehen. An das sie sich geklammert hatte, nach seinem Tod. Und war es nicht auch ein erster Schritt in die Richtung, die sie und Beth und so viele andere anstrebten? Eines der Ziele, von denen sie träumten?
    Jane war nicht so naiv. Sie wusste, dass sie gekauft werden sollte, dass sie nur deshalb direkt aus dem Berg geholt worden war, mit schwarzen, schmierigen Kleidern und Haaren vor diesen Männern stand, um die ihr erwiesene Gnade deutlicher zu spüren. Und sie glaubte den schönen Worten nicht.
    Aber trotzdem konnte sie nicht verhindern und erreichten die klugen Rechner, dass der kleine Vogel Hoffnung aufflog in ihrer Brust, dass sie wieder den Himmel über sich sah, mit einem Platz darin. Nicht für sie, aber für ihren Jungen.

74.
    Die Northumberland überquerte den Äquator fast genau am vierzigsten Längengrad. Kein Vermessungsingenieur hätte eine geradere Linie durch den Ozean ziehen können als Kapitän Radcliffe zwischen Britisch-Guayana und St. Helena. Das Wetter begünstigte seine Bemühungen, und da ein stetiger Wind wehte, spürte man auch die Hitze nicht in unerträglichem Maß.
    Die Einzigen, die davon ohnehin nicht berührt wurden, waren die bedauernswerten Kinder des Missionars Parker, drei Mädchen, zwei Jungen. Sie trugen ihre schlichten schwarzen Anzüge oder Kleider so unveränderlich, als wären sie angewachsen und als sei es ganz gleich, wohin in der Welt Gott und Vater sie aussenden würden. Sie hätten am Nordpol nicht mehr
getragen und trugen am Äquator nicht weniger. Aber obwohl sie ihr Leben der Bekehrung von Heiden gewidmet hatten, hatten sie eine derartige Taufe noch nicht gesehen.
    Von den rund tausend Menschen an Bord hatten weit mehr als die Hälfte noch nie jene unsichtbare Linie überschritten, von der an die Erde auf dem Kopf steht, die See kocht und die Matrosen schwarz werden und bleiben müssen bis ans Ende ihrer Tage – wie ihre Vorfahren glaubten. Niemand wusste, wie alt das Ritual war, mit dem hier die erfahrenen die unerfahrenen Seeleute begrüßten, nur, dass es keine Regeln gab und dass jegliche Ordnung aufgehoben wurde, war allgemein bekannt.
    Der kleinste Vortoppmann, der schon »jenseits« gewesen war, durfte jedem, der das nicht von sich sagen konnte, ungestraft die Südhalbkugel unter die Nase reiben, seien es nun Offiziere oder Mannschaften. Anfangs ein zweifellos harmloser Spaß, bei dem selbst Lords der Admiralität ihren Eimer Wasser über den Kopf bekamen, war die Äquatortaufe jedoch allmählich zu einer so derben Quälerei der »Heiden« geworden, dass man sie schließlich auf Mannschaft und Vorschiff beschränken musste.
    Obwohl also die Passagiere von dem Schauspiel ausgenommen blieben – bis auf einige Füsiliere, die sich freiwillig gemeldet hatten, um vor den »Wasserratten« nicht als Feiglinge dazustehen –, nahmen doch nahezu alle diese willkommene Unterbrechung der inzwischen recht eintönigen Seereise wahr und strömten als Publikum zusammen.
    Die Täuflinge wurden gegen mehr oder minder geringen Widerstand bis auf die Wäsche entkleidet, auf Deck festgehalten und dabei so kräftig von allen Seiten mit Wassergüssen eingedeckt, dass nicht Faden noch Haar trocken blieben. Derart gewaschen glaubten einige sich bereits genügend eingeführt und fielen ihrerseits über ihre noch ungetauften Kameraden
her, bis eine hin und her wogende Wasserschlacht entstand, in der dann auch schon kameradschaftlich einige Fäuste flogen und Blutstropfen vergossen wurden.
    Über den schwächsten Opfern wurde anschließend Scheuerseife ausgeschüttet, und ein paar Matrosen stürzten sich mit Bürsten und Putzwolle auf die Unglücklichen, die nun kaum noch die Augen offen halten konnten, weil Seife und Salzwasser darin brannten. Dem Süden sauber entgegentreten hieß die Parole. Und während die Stimmung dergestalt ihren Höhepunkt erreichte, erhob sich Neptun persönlich aus dem Meer, beziehungsweise stieg über die Bordwand.
    Das Getümmel erstarb kurzfristig, die Männer johlten und klatschten begeistert, auch die meisten Zuschauer lachten, die Männer feixend, die Frauen und Mädchen ungläubig, staunend; nur Reverend Parker hatte seine gottesfürchtige kleine Herde sofort unter Deck getrieben, als der

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