Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)
sie sie zurück.
»Raus«, flüsterte sie. »Bitte! Geht raus.«
Draußen regnete es.
Am nächsten Tag, als Beth von ihrer Tochter Abschied genommen hatte und zur Arbeit gegangen war, sagte Mutter Irvine: »Wenn etwas geschehen soll, muss es bald geschehen.«
»Ich weiß«, antwortete Jane. »Aber ich muss dazu nach London.«
Das tote Mädchen lag noch in ihrem, in Johns Bett. Sie hatte mit Ben auf dem Boden geschlafen, die eine Nacht. Draußen hielt der Wagen des Totengräbers.
»Ich habe dreißig Shilling«, sagte die alte Frau hart und ernst. »Wie viel brauchst du?«
76.
»Jemand sucht irgendwas an Bord!«, sagte George.
Ich weiß, das bin ich, hätte Gowers beinahe spontan geantwortet. Die mehr als einwöchige Untätigkeit seit Georgetown hatte ihn so mürbe gemacht wie nassen Schiffszwieback. Wie soll man jemandem begegnen, der sich nie zeigt, und das auch noch zufällig? Er kam mit diesem Inder nicht weiter.
Carver hatte noch einmal hereingeschaut, dabei aber Gowers’ Versprechen, mit dem Kapitän zu reden, so demonstrativ unerwähnt gelassen, dass es geradezu in Stein gehauen zwischen ihnen stand. Anschließend hatte der Leutnant ihm
Emmeline auf den Hals gehetzt, die jetzt tatsächlich mehr an ihrer baldigen Verehelichung als an der Aufklärung des Falls interessiert schien. Schweren Herzens und begleitet von den immer bissigeren Bemerkungen Van Helmonts hatte er sich also bei Kapitän Radcliffe anmelden lassen, und nun lief ihm der Schiffsjunge in den Weg, der bisher noch nicht eine brauchbare Information geliefert hatte.
Am liebsten hätte er ihn weggeschickt, kommentarlos, vielleicht mit einem Tritt in den Hintern, aber dann sah er sich den Jungen genauer an. Keine Haarsträhne fiel mehr in George Barclays Gesicht, er hatte sie abgeschnitten. Auf Nase und Kinn prangten die frischen roten Striemen, die die groben Scheuerbürsten hinterlassen hatten, und Gowers dachte kurz, dass der Junge mit seiner Meldung vielleicht nur eine Rechnung begleichen wollte.
»Woher weißt du das?«, fragte er.
»Haben ein paar Leute erzählt«, sagte George. »Sie reden jetzt mit mir, wissen Sie, Sir, seit ich …«
»Seit du Neptun seinen Dreizack auf dem Rücken zerschlagen hast«, ergänzte Gowers lächelnd. »Und was haben sie gesagt?«
»Dass jemand was suchen muss, unter Deck. Gibt Kratzspuren hier und da, immer mal wieder welche. Und dass es schon auf der letzten Reise angefangen hat. Sir!«
Sein letztes Wort bellte Barclay derart laut heraus, dass Gowers unwillkürlich zusammenfuhr. Dann bemerkte er, dass Kapitän Radcliffe in Begleitung des offenbar unvermeidlichen Mr. Bell hinter ihm aufgetaucht war. Ein Lotsenfisch, dachte Gowers bei einem kurzen Blick in das ausdruckslose Pferdegesicht des Ersten Offiziers und überlegte, an wen ihn der Mann erinnerte. Gleichzeitig fiel ihm auf, dass er ihn bisher eigentlich an niemanden erinnert hatte.
»Ich höre, Sie wollen mich sprechen, Mr. Thompson«, sagte der Kapitän und fügte mit einer Ironie, die sich eigentlich nur in seiner Haltung bemerkbar machte, hinzu: »Wenn Sie aber lieber mit Mr. Barclay reden wollen, bitte sehr. Hier lässt jeder gern alles stehen und liegen, um Ihnen zu Diensten zu sein!«
George salutierte und machte sich dann mit blitzartiger Geschwindigkeit aus dem Staub. Gowers fluchte innerlich. Die erste brauchbare Information seit einer Woche, und dann musste man Emmeline Thompson unter die Haube bringen!
»Es ist wegen meiner Schwester, Sir. Sie will sich verheiraten.«
»Das ist beruhigend zu wissen, Mr. Thompson. Und es ehrt mich, dass Sie es mir mitteilen. Ich werde es im Logbuch vermerken lassen.«
Der Kapitän ließ auch diese Bemerkung ohne das geringste Anzeichen innerer Heiterkeit fallen, wohingegen Bells angespannten Kiefermuskeln deutlich das Lachen anzusehen war, das er sich verbeißen musste.
»Das hoffe ich, Sir«, trumpfte diesmal jedoch Gowers mit leiser Ironie auf. »Denn sie hat sich in den Kopf gesetzt … vielmehr, beide möchten, dass Sie die Trauung vollziehen!«
Zum ersten Mal, seit er dem bärbeißigen Seemann begegnet war, schien es Gowers, als ob Kapitän Radcliffe wirklich überrascht sei, vielleicht sogar ein wenig beunruhigt.
»Kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte er dennoch prompt. »Wozu haben wir schließlich diesen Schwarzkittel an Bord!?« Als ginge es um Windstärken oder Stromversetzung, wandte Radcliffe sich mit einem Gesichtsausdruck an seinen Ersten Offizier, in dem kein
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