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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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hatten Angst vor ihm. Sie hatten damals Angst vor jedem Unbekannten. Und so wird er wohl weitergewandert
     sein, so stelle ich es mir vor, den Damm hinauf, woder Schneesturm am heftigsten tobte. Er war desorientiert und verwirrt. Vermutlich stolperte er und fiel die Böschung hinunter
     in den See, auf dem sich schon eine dünne Eisdecke gebildet hatte. Unterkühlung soll ja ein schmerzloser Tod sein. Das Gefühl
     weicht aus dem Körper und dann kommt der Schlaf. Das alles war ein schrecklicher Irrtum. Sehr tragisch.«
    Fletcher stellte sich das Kästchen auf dem Tisch vor, so wie Judith Denton die Szene beschrieben hatte. Ein schrecklicher
     Irrtum, mehr nicht.
    »Aber warum kam dann am nächsten Tag ein hochrangiger Polizeioffizier und bat Sie, Stillschweigen über die Sache zu bewahren?«
    »Können Sie sich das nicht denken? Sie wissen doch, dass der Tote Russe war.«
    Fletcher ließ sich die Sache durch den Kopf gehen. Alles passte zusammen.
    »Die amerikanische Raketenbasis. Damals war sie noch in Betrieb, es war mitten im Kalten Krieg.«
    »So ist es, Inspector. Die Raketenbasis. Es wird gemunkelt, der Russe hätte den Auftrag gehabt, sie auszuspionieren, doch
     das erscheint mir extrem unwahrscheinlich. Bis heute bezweifle ich, dass er auch nur von ihrer Existenz wusste. Aber denken
     Sie doch nur an die politischen Komplikationen. Ein Atomkrieg war damals eine reale Möglichkeit. Die Raketenbasen bildeten
     die vorderste Verteidigungslinie gegen den russischen Feind. Und plötzlich fährt einer der Feinde in einem Leihwagen hierher
     und bringt es fertig, nur wenige Meilen von der Absperrung entfernt zu ertrinken. Was für eine katastrophale Sicherheitspanne.
     Die Leiche wurde fortgeschafft, ich weiß nicht wohin. Ich denke mir, dass die sowjetische Botschaft ebenfalls alles dafür
     getan hat, die Sache unter der Decke zu halten. Für die russische Seite war das auch nicht gerade ein Propagandaerfolg.«
    Da mochte Alain recht haben. Unliebsame Fragen wärenaufgekommen, man hätte das Devisenbeschaffungsprogramm unter die Lupe genommen, Bedenken über die mögliche Nutzung der Handelsmissionen
     zu Spionagezwecken wären aufgekommen und man hätte nachgeforscht, wie viel Unterstützung der unglückselige Ingenieur eigentlich
     von seinen eigenen Vorgesetzten erhalten hatte. Fletcher verstand gut, warum sowohl die britische als auch die sowjetische
     Seite den Mantel des Schweigens über den Vorfall gebreitet hatten. Als Aschehäuflein ließ Iwans Vater sich problemlos nach
     Stawropol zurückbefördern, dazu seine Sachen und   ...
    »Alain, als die Polizei die Leiche fand, ist sie da auf irgendetwas Ungewöhnliches gestoßen?«
    »Etwas Ungewöhnliches?«
    »Wurde bei der Leiche ein Gegenstand gefunden, der irgendwie außergewöhnlich wirkte?«
    »Tut mir leid, Inspector, aber ich habe die Leiche nicht mit eigenen Augen gesehen. Allerdings ist mir nie etwas über einen
     ungewöhnlichen Fund zu Ohren gekommen.« Er starrte kopfschüttelnd ins Wasser. »Es ist wirklich eine furchtbare Geschichte,
     nicht wahr? Die wenigen unter uns, die Bescheid wissen, werden diese Sache immer bereuen. Die Schuldgefühle werden wir wahrscheinlich
     niemals ganz loswerden. Aber da lässt sich nun einmal nichts mehr ändern. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen und alles
     noch einmal anders machen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als das, was geschehen ist, ruhen zu lassen.«
    Alain trat an den Rand der Terrasse, suchte ein Stück Holz und schwenkte es auffordernd. Im schwachen Licht des wolkenverhangenen
     Mondes sah es fast wie ein Knochen aus. Der Hund stellte sich hinter ihn, und Alain warf den Stock in den See. Der Hund sprang
     mit einem weithin hallenden Platschen hinterher und schwamm mit erhobenem Kopf durchs Wasser.
    »Alain, wir können die Vergangenheit nicht einfach ruhenlassen«, sagte Fletcher. »Ich bin einem Russen begegnet, der von sich behauptet, der Sohn des verstorbenen Ingenieurs zu sein.
     Das, was er hier tut, beschreibt er als die Vollendung seiner Lebensaufgabe. Ich kenne seine Pläne nicht, halte es aber für
     besser, wenn Sie die Hochzeit von Thinbeach diesmal ausfallen lassen.«
    »Ausfallen lassen?« Alain trat erstaunt zurück. »Aber das ist unser Fest, es gehört uns. Wenn dieser Mann einen Groll hegt,
     soll er sich zu erkennen geben und mit uns reden. Was sollen wir denn seiner Meinung nach getan haben?«
    »Er hat einen Verein namens
The Wake
ins Visier genommen.«
    Alain stöhnte

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