Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman
auf. »
The Wake
? Das war doch in den Siebzigern. Grundgütiger – meinen Sie etwa Billy Breakman und Thomas Denton und diesen andern Typen
– den kleinen Bauern?«
»Der Russe scheint die drei mit dem Tod seines Vaters in Verbindung zu bringen.«
»Was sagen Sie da? Also hören Sie mal. Haben Sie schon mit diesen Leuten gesprochen? Dann wissen Sie doch, was das für Clowns
sind. Ich bin ein ernstzunehmender Historiker, aber diese Typen waren einfach nur lächerlich. Die machten sich in billigen
Kostümen zu Idioten und trapsten von einem Dorffest zum nächsten.« Er lachte. »Vielleicht hat Ihr Russe sich auf sie versteift,
weil sie für das Dorf stehen, wie es in den siebziger Jahren war, in jener Zeit, als sein Vater ums Leben kam. Aber
The Wake
, das waren harmlose Clowns – verstehen Sie das nicht? Einfach nur harmlose, alberne Komödianten. Ich hoffe inständig, dass
niemand irgendetwas anderes von ihnen annimmt.«
Dann sprang Alains Hund aus dem Wasser und lief zur Terrasse hinauf, das Fell voll metallisch glänzendem Schlick vom Ufersaum
und die Ohren aufmerksam gespitzt. Auf der Terrasse angekommen, schüttelte er sich von Kopf bis Fuß,und das Wasser spritzte in alle Richtungen und besprühte die Fliesen mit einem Tropfenkranz.
»Die Hochzeit absagen, Inspector? Das ist unmöglich. Dieses Jahr haben wir eine ganz besondere Braut, schöner denn je. Die
Polizei muss uns schützen. Dafür zahlen wir schließlich unsere Steuern. Unsere Sicherheit liegt in Ihrer Hand.«
Er kniete sich hin, flüsterte dem Hund etwas auf Französisch zu, streichelte ihm die Schnauze und nahm ihm sanft den Stock
aus dem Maul. Er blickte zu Fletcher auf.
»Ist er nicht prachtvoll? Ein Bretonischer Wolfshund. Die Rasse ist extrem selten. Sie geht auf die Hunde der Normannen zurück,
die damals gezüchtet wurden, um entlaufene Gefangene aufzuspüren. Es heißt von diesen Hunden, dass sie niemals Menschenblut
riechen dürfen. Denn sonst erwachen uralte Instinkte in ihnen zum Leben.« Er kicherte. »Vielleicht ist er ein besserer Schutz
als jeder Polizist, er und seine wunderschöne Schwester. Wo ist denn deine Schwester heute Nacht,
mon bébé? Où est ta jolie sœur?
Hm?«
Alain drückte sein Gesicht an die Hundeschnauze, küsste das Tier wieder und wieder, flüsterte ihm etwas ins Ohr, schloss die
Augen und rieb die Wange an seinem Kopf.
Mittwochabend
Auf dem Rückweg nach Cambridge nieselte es und die Straße war nass. Am Himmel ballten sich dunkle Wolken und von Zeit zu Zeit
zuckte ein Wetterleuchten über die Felder, was die Gewitterschwüle aber nicht linderte.
Fletcher öffnete das Seitenfenster einen Spalt und ließ eine Zeitlang den Sprühregen hereinwehen. Er fragte sich, ob nach
de Minchings Bericht nun alles geklärt war. Ob er nun wirklich wusste, was passiert war.
Iwans Vater war durch einen Unfall ums Leben gekommen. Iwan hatte Olga nach Thinbeach geschickt, um etwas über den Tod seines
Vaters herauszufinden, und zusammen mit Jake Skerrit war sie auf
The Wake
, eine Gruppe harmloser Komödianten, gestoßen, gegen die Iwan nun einen ungerechten, maßlosen Zorn hegte. Das würde einiges
erklären.
Der kühle Sprühregen benetzte seine Wange, und die Scheibenwischer zogen Schlieren über die Windschutzscheibe.
Es würde sogar sehr vieles erklären. Zum Beispiel das Gespräch auf Ron Tevershams Kassette. Im ersten Moment klang es so,
als wüssten die Leute über ein schlimmes Geheimnis Bescheid. Aber war das echt – oder zogen sie nur den armen alten Ron auf,
indem sie auf seine neugierige Frage hin
The Wake
als etwas darstellten, das es gar nicht war? Einer hatte sogar gefragt:
Drückt dich was, Teversham? –
als hätten sie gewusst, dass er einen Recorder am Körper trug.
Schlaue Burschen, die haben das klein gehalten –
wenn man bedachte, dass es sich um einen historischen Verein handelte, klang das wirklich so, als wollten sie Teversham auf
den Arm nehmen.
Unfälle gab es nun einmal. Vielleicht hatte Jake Skerrit wirklich die Überwachungskamera ausgestellt und sich einfach zu tief
in den Schredder gebeugt, und vielleicht war Ron Teversham, der Alkoholiker, wirklich in Panik geraten, als er die Leiche
fand, hatte das Video verschwinden lassen und später nicht den Mut gefunden, sich zu diesem Fehler zu bekennen. Hatte Thomas
Denton heute bei der Erwähnung Iwans nervös gewirkt? Vielleicht nur, weil er damals, 1979, Gerüchte über die Leiche gehört
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